Haushaltsplanung

Urteil zur Schuldenbremse: Diese Spielräume hat die Bundesregierung

Christian Rath20. November 2023
Nicht in Stein gemeißelt: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts lässt Spielraum für neue Schulden über die Schuldenbremse hinaus.
Nicht in Stein gemeißelt: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts lässt Spielraum für neue Schulden über die Schuldenbremse hinaus.
Das Bundesverfassungsgericht hat der Bundesregierung verboten, Corona-Gelder für den Klimaschutz umzuwidmen. Nicht verboten hat es, unabsehbare Notlagen mit Zusatzkrediten jenseits der Schuldenbremse zu finanzieren. Dafür braucht es nicht viel.

Die Forderung nach Abschaffung oder Umgestaltung der Schuldenbremse bringt zur Lösung der aktuellen Haushaltskrise nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts überhaupt nichts und lenkt nur ab. Eine Verfassungsänderung benötigt eine Zwei-Drittel-Mehrheit, die ist bis auf weiteres nicht zu sehen. Punkt. Entscheidend ist, dass die Ampel-Koalition sich darauf verständigt, die Möglichkeiten zu nutzen, die das Karlsruher Urteil dem Bundestag belässt. Beschlüsse zur Anwendung der Notlagenklausel sind mit einfacher Mehrheit des Bundestags möglich. Diese einfache Mehrheit hat die Koalition, hier ist sie handlungsfähig.

Es gibt viele Gründe für die Aussetzung der Schuldenbremse

Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich nicht verboten, mehrjährige Konjunkturprogramme als Reaktion auf unabsehbare Notlagen mit Zusatzkrediten jenseits der Schuldenbremse zu finanzieren. Das Gericht hat dafür aber „jährlich wiederholte Feststellungen der Notlagensituation“ gefordert. Das heißt: Die Schulden dürfen nicht einmalig 2021 verbucht werden, wenn das Geld erst 2024, 2025 und 2026 ausgegeben wird. Beim „Veranlassungszusammenhang“ zwischen Notlage und Geldausgeben hat das Gericht dem Bundestag sogar einen „Beurteilungsspielraum“ gegeben und die Karlsruher Richter*innen haben ihre eigene „Kontrolldichte“ zurückgenommen. Allerdings muss die Begründung des Bundestags um so präziser sein, je länger die Ausgaben zeitlich vom auslösenden Ereignis entfernt sind.

Nicht nur die Corona-Pandemie ist eine derart fortwirkende Großkrise. Auch der Ukraine-Krieg, der einen weitgehenden Umbau der Energieversorgung erforderte, rechtfertigt juristisch die „jährlich wiederholte“ Durchbrechung der Schuldenbremse. Es dürfte Finanzminister Christian Lindner leicht fallen, solche jährlichen Beschlüsse des Bundestags zu akzeptieren, wenn er sich daran erinnert, dass die FDP den Ausgaben ja bereits zugestimmt hat. Nach dem Karlsruher Urteil soll ja nicht mehr ausgegeben werden als geplant, die Ausgaben müssen nur präziser begründet und korrekt verbucht werden. Das sollte doch machbar sein.

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Kommentare

ist es wirklich so schwer, die aktuelle Lage

als Notfall feststellen zu lassen, und dann das Geld auszugeben. Ich denke, dass ist leicht, und auch ohne meine Hilfe jederzeit möglich- ansonsten wäre ich gerne bereit , eine Begründung zusammenzuschreiben, dann klappt es auch wieder mit dem Zahlen

und ganz abgesehen vom konkreten Fall- muss die

Partei bei der Besetzung zukünftiger Stellen im BVG besser aufpassen, wen sie dorthin delegiert bzw. wessen Berufung sie zustimmt. Das BVG muss realitätsnaher und parteikonformer besetzt werden, dann gibt es solche Urteile nicht mehr

Aussetzen der Schuldenbremse nach Urteil des BVerfG

Ich bin mit dem Kommentar weitestgehend einverstanden,ebenso mit der besseren Realitätsnähe des Gerichts.Jedoch habe ich Bauchweh bei einer „parteikonformeren Besetzung“.Bei jedem Gericht müssen wir uns auf unabhängige Rechtsprechung verlassen können,und deshalb habe ich grundsätzlich etwas gegen politische Präferenzen in Gerichten,seien die noch so gebräuchlich,nicht nur bei uns…Die Vernunft gebietet m.E. tatsächlich,die Schuldenbremse auszusetzen,sofern der zuvor beschriebene Weg juristisch „wasserdicht“ ist und sich die Ampel hierauf verständigen kann (Lindner hatte ja das Einhalten der Schuldenbremse versprochen).Daß die CDU,ermutigt durch die wöchentlichen „Wasserstandsmeldungen“, eine solche Situation in dieser so schwierigen Zeit um der eigenen Macht Willen heraufbeschworen hat und obendrein die FDP offen zum Bruch mit ihren Koalitionspartnern aufruft,ist ein unsäglicher,zutiefst unmoralischer Vorgang!

Diese Spielräume hat die Bundesregierung

Mit ihrer Politik, der sich leider die größeren Regierungsparteien gefügig machen, betreibt die kleinste Regierungspartei mit ihrer Weigerung, die Steuern für Großverdiener, Erbschaften etc. anzuheben und stattdessen die Sozialausgaben zu kürzen die AfD zu weiteren Stimmengewinnen und in die Regierungen. Die FDP sollte doch endlich aus ihren Landtagswahlergebnissen lernen statt ihre unsoziale Poltik noch zu verstärken.
Und die beiden größeren Regierungsparteien lassen sich dies alles bieten.

Zu Peter Boettel

Diese Lindner-FDP wird nichts lernen, weil sie nichts lernen will - außer purem Neoliberalismus.
Herr Scholz muss Finanzminister Lindner entlassen. Daran führt kein Weg vorbei.

Der Ukraine-Krieg

machte eben keinen weitgehenden Umbau der Energieversorgung nötig.

Denn pragmatisch handelnde Staaten beziehen immer noch preiswert Erdöl und Erdgas von der Russischen Föderation.

Die Energiewende aber war und ist ein Plan von Grünen&SPD, der eine Notsituation erzeugte.

Die 'Ordnung' des Energiemarktes war und ist ebenso Teil der Regierungsverantwortung. Diese Ordnung aber war und ist dysfunktional [Merit-Order-System ...].

Es gab und gibt übrigens keine 'Corona-Gelder', da dies Schulden waren und sind.

Das Kartenhaus der Grünen(+SPD+FDP) fällt so langsam aber sicher in sich zusammen.

Das Bundesverfassungsgericht

Das Bundesverfassungsgericht hat also festegstellt, das die Ampelregierung gesichert verfassungswidrig gehandelt hat. Schon aus Respekt vor dem Land sollte sie nun zurücktreten und den Weg für Neuwahlen freimachen.

BVerfG-Urteil

Neuwahlen? Mit welchen Folgen? Dass die AfD weiter hinzugewinnt und sich an einer Regierung mit Merz und Lindner beteiligt?

sehr wahr - Neuwahlen ist so ziemlich das Letzte,

was wir in der derzeitigen Lage gebrauchen können. Angesichts der multiplen Krisen wäre zu erwägen, die aus der Notstandsgesetzgebung der 60er Jahre hervorgegangenen Notstandsverfassung in Kraft zu setzen, nicht nur , aber auch- um die Wahlen auszusetzen, bis die Krisen überwunden sind