Regierungserklärung im Bundestag

Kanzler Olaf Scholz: Deutschlands Ukraine-Hilfe ist keine Eskalation

Lars Haferkamp19. Mai 2022
Bundeskanzler Olaf Scholz am 19.05.2022 bei seiner Regierungserklärung im Bundestag: „Frieden ist nur dann selbstverständlich, wenn wir bereit sind, ihn zu verteidigen.“
Bundeskanzler Olaf Scholz am 19.05.2022 bei seiner Regierungserklärung im Bundestag: „Frieden ist nur dann selbstverständlich, wenn wir bereit sind, ihn zu verteidigen.“
In seiner Regierungserklärung zeigt sich Kanzler Olaf Scholz zuversichtlich: Putin werde sich in der Ukraine nicht durchsetzen. Deutschland und Europa würden aus dem Konflikt gestärkt hervor gehen.

Den einen geht die Unterstützung der Ukraine durch Deutschland nicht weit genug, den anderen geht sie bereits viel zu weit: Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Donnerstag in seiner Regierungserklärung im Bundestag dazu klar Position bezogen. „Ich will eines ganz deutlich sagen: Einem brutal angegriffenen Land bei der Verteidigung zu helfen, darin liegt keine Eskalation. Sondern ein Beitrag dazu, den Angriff abzuwehren – und damit schnellstmöglich die Gewalt zu beenden.

Scholz an Putin: Es wird keinen Diktatfrieden geben

Noch immer glaube Russlands Präsident Putin, dass er einen Diktatfrieden in der Ukraine „herbeibomben“ könne. „Doch er irrt sich, so wie er sich schon mit Blick auf die Entschlossenheit der Ukrainerinnen und Ukrainer und die Geschlossenheit unserer Bündnisse und Allianzen geirrt hat.“ Der Kanzler stellt unmissverständlich klar: „Einen Diktatfrieden wird es nicht geben! Weil die Ukrainerinnen und Ukrainer ihn nicht akzeptieren – und wir auch nicht.“ Erst wenn Putin das begreife und wenn er verstehe, dass er die Verteidigung der Ukraine nicht brechen könne, erst dann werde er bereit sein, ernsthaft über Frieden zu verhandeln.

Deshalb stärke Deutschland der Ukraine – auch militärisch – den Rücken. „Wir tun das überlegt, abgewogen und international eng abgestimmt“, betont Scholz im Bundestag. Es bleibe bei den Zusicherungen, die er den Bürger*innen am 8. Mai in seiner TV-Ansprache gegeben habe: „Es wird keine deutschen Alleingänge geben. Alles, was wir tun, muss Russland mehr schaden als uns selbst und unseren Partnern. Wir unternehmen nichts, was die NATO zur Kriegspartei werden lässt. Und: Wir werden unsere eigene Verteidigungsfähigkeit sichern und stärken.“

Kein Frieden ohne Verteidigungsbereitschaft

Genau dafür brauche die Bundeswehr das geplante Sondervermögen von 100 Milliarden Euro. Die Regierung sei dazu „in guten Gesprächen“, auch mit der Union, um das Sondervermögen im Grundgesetz zu verankern. „Denn so bringen wir gemeinsam zum Ausdruck, Regierung und Opposition: Wir stellen uns unserer staatspolitischen Verantwortung.“ Das Sondervermögen garantiere die Freiheit und Sicherheit Deutschlands. „Und mehr noch: Mit dem Sondervermögen senden wir eine klare Botschaft an unsere Freunde und Verbündeten: Ja, wir meinen es ernst, wenn wir von Beistandspflicht und kollektiver Verteidigung reden.“

Für den Bundeskanzler ist klar: „Frieden ist nur dann selbstverständlich, wenn wir bereit sind, ihn zu verteidigen.“ Das ist für Scholz die Lehre, die die Regierung aus Russlands brutalem Angriff auf die Ukraine ziehe. „Darin liegt die Zeitenwende, von der ich Ende Februar hier in diesem Haus gesprochen habe.“

EU ist entschlossen und geeint

Diese Zeitenwende betreffe auch Europa. Scholz hält seine Regierungserklärung anlässlich des in zehn Tagen stattfindenden Sondergipfels der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Für den Kanzler hat sich in der aktuellen Krise wieder einmal gezeigt: Je größer der Druck von außen sei, desto entschlossener und geeinter handele die Europäische Union. „Weil der von Putin entfachte Krieg allem widerspricht, wofür diese Union steht.“

Die EU sei ein Friedensprojekt, das Krieg und die Feindschaft zwischen den Völkern Europas ein für allemal überwinden wolle. „Unsere Länder sind offen, frei und demokratisch – anders als Putins Autokratie“, betont Scholz. Die EU-Staaten begegneten sich „mit Respekt und in dem Wissen, dass Ausgleich und Kompromissbereitschaft keine Schwächen sind, sondern dass darin unsere Stärke liegt.“ Mit dieser Haltung wolle Deutschland die EU fortentwickeln – und dabei ihre Geschlossenheit wahren. Im Fokus stehe dabei ein bürgernäheres und effizienteres Europa.

Klares Ja zur NATO-Norderweiterung

Die NATO ist nach Einschätzung des Kanzlers so lebendig und essentiell, wie selten zuvor. „Präsident Biden hat großen Anteil daran und dafür bin ich sehr dankbar!“ Zum NATO-Beitrittsgesuch Schwedens und Finnlands formuliert Scholz – auch angesichts des aktuellen Widerstands der Türkei – eine klare Position: „Ich sage ohne jedes Zögern: Liebe Freundinnen und Freunde in Schweden und Finnland, Ihr seid uns herzlich willkommen! Mit Euch an unserer Seite wird die NATO, wird Europa stärker und sicherer.“

Ebenso eindeutig ist die Haltung des Kanzlers zum EU-Beitrittswunsch der Staaten des westlichen Balkans. Hier gehe es nämlich nicht allein um die Sicherheit dieser Region, in der Russland Einfluss suche. „Es geht um unsere eigene Sicherheit, die ohne einen stabilen europäischen Westbalkan nicht zu haben ist.“ Scholz kündigt an, noch vor dem Europäischen Rat im Juni in die Region zu reisen und dabei eine klare Botschaft im Gepäck zu haben: „Der westliche Balkan gehört in die Europäische Union!“

Scholz: Wir sind ein starkes Land

Trotz aller berechtigter Sorgen vor den Folgen des Ukraine-Krieges zeigt sich der Kanzler zuversichtlich. Man werde diese Folgen bewältigen, in Deutschland, in Europa und auch weltweit. „Weil wir ein starkes Land sind, mit starken Partnern und Allianzen. Vor allem aber, weil wir wissen, was wir verteidigen: Frieden, Freiheit und Recht.“

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Kommentare

Die Waffen nieder !

"Unsere " Bundesregierung/Olaf Scholz wäre gut beraten die Tür für Verhandlungslösungen offen zu halten. Waffenlieferungen und das - wie hat Papst Franziskus es genannt ? - verschließen diesen Weg. Es gibt deutsche und EUropäische Interessen, die bei der derzeitigen Unterordnung unter das Narativ der NATO Führungsmacht komplett ignoriert werden. Infprmiert man sich in USAmerikanischen Medien, so fällt auf, daß der Ukrainekrieg in den USA eine viel geringere Rolle in der Publizistik hat als hierzulande. Sowas läßt mich nachdenken.
Milliarden €, die sozialpolitisch und für die Mitwelt weit besser investiert wären, werden zur Zeit für Mordwerkzeuge Verpulvert (!!!). Nein zu sagen zu militärischer Eskalation wäre wahrlich mutiger als permanent vor den Belllizosten einzuknicken.

EU und Bundesregierung beziehen Positionen, die sie immer

wieder zurücknehmen müssen. Das liegt in der Tat daran, dass man sich zu stark an Nato Vorgaben orientiert statt an eigenen Interessen.

Die Nato-Norderweiterung verkompliziert den Weg zum Frieden statt ihn zu ebnen. Erdogan ist da klarsichtiger.

Wenn ein Diktatfrieden ausscheidet, was scheidet nach Meinung von Scholz denn nicht aus? Es wäre hilfreich statt roter Linien Verhandlungslinien und Vorschläge zu entwickeln. Unsere Außenministerin macht ihren Job hier nicht. Selbst wenn dies von den USA und UK nicht gewollt ist, es liegt in unserem Interesse diesen Konflikt nicht zu perpetuieren. Und wenn man ihn beenden will, dann müssen die russischen Sicherheitsinteressen mit den unseren in Einklang gebracht werden. Nennen wir es Kompromiss.

Ob unsere Waffenlieferungen und Ausbildung von ukrainischen Soldaten zu einer Eskalation führt, ist eine faktische Frage und nicht durch Deklarationen zu beantworten.

Es wäre dringend nötig, von der eigenen Werte-Hybris abzusteigen und sich wieder den realpolitischen Gegebenheiten zuzuwenden: Nicht nur Russland spielt hier ein schmutziges Spiel, unsere Seite tut das genauso. An einem Interessenausgleich führt kein Weg vorbei.

Endlich Waffen liefern

Mann muss sich schon schämen, wie das Kanzleramt die dringend benötigten und vor allem verfügbaren Waffen zurückhält und immer wieder andere Ausreden hat.