Deutsch-chinesische Beziehungen

Neue China-Strategie: Darum geht es konkret zwischen Berlin und Peking

Lars Haferkamp13. Juli 2023
Mit ihrer China-Strategie will die Bundesregierung die deutsch-chinesischen Beziehungen auf eine neue Grundlage stellen.
Mit ihrer China-Strategie will die Bundesregierung die deutsch-chinesischen Beziehungen auf eine neue Grundlage stellen.
Lange hatte die Ampel-Koalition über die China-Strategie diskutiert. Am Donnerstag ist sie nun im Bundeskabinett beschlossen worden. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Welche Bedeutung misst die Bundesregierung China zu?

Eine sehr große. Zum einen ist China Deutschlands wichtigster Handelspartner. Zum anderen ist es als Atommacht und als Vetomacht im UN-Sicherheitsrat in der internationalen Politik von überragender Bedeutung. Das gilt auch für global bedeutende Themen wie die Klimapolitik. Die besondere Relevanz, die Berlin Peking zumisst, wird auch an den regelmäßigen Regierungskonsultationen der deutschen und der chinesischen Regierung deutlich. Sie fanden im Juni 2023 zum siebten Mal statt, damals in Berlin. Und natürlich an der China-Strategie, die am Donnerstag vom Bundeskabinett beschlossen werden soll.

Hat der Ukraine-Krieg Auswirkungen auf die deutsch-chinesischen Beziehungen?

Ja. Der völkerrechtswidrige Überfall Russlands auf seinen ukrainischen Nachbarstaat hat spürbare Folgen für die Beziehungen zwischen Berlin und Peking. Denn die „Zeitenwende“ beendet eine jahrzehntelange Gewissheit deutscher Außenpolitik: Dass nämlich gute und enge wirtschaftliche Beziehungen auch nicht-demokratische Staaten vor einer gewaltsamen Expansion abhalten – aus Furcht vor Wirtschaftssanktionen des Westens. Diese Annahme hat Russland durch seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine widerlegt. Moskau nimmt das Ende der Lieferungen von Öl und Gas an Deutschland und ganz Europa in Kauf und setzt seinen Eroberungskrieg unvermindert fort. Da China wirtschaftlich eine viel größere Rolle spielt als Russland, ist es möglich, dass auch Peking sich von westlichen Sanktionsdrohungen nicht abschrecken lässt – etwa in Taiwan militärisch zu intervenieren.

Welche Konsequenzen zieht Deutschland daraus?

Bundeskanzler Olaf Scholz hat im Umgang mit China folgende Strategie entwickelt: Er will einseitige Abhängigkeiten Deutschlands von China – etwa bei bestimmten Technologien und Rohstoffen – schnell reduzieren. Scholz spricht hier vom „De-risking“, also dem Abbau von Risiken für die Bundesrepublik. Zugleich will er aber ausdrücklich kein „De-coupling“, keine wirtschaftliche Abkoppelung von Peking, das hat der Kanzler immer wieder klargestellt. Ihm gehe es darum, zwischen Nähe und Distanz eine „Balance zu wahren“, so Scholz.

Warum soll es keine deutsche Abkoppelung von China geben?

Die chinesische Wirtschaft spielt für Deutschland eine zu wichtige Rolle, als dass eine solche Strategie erfolgreich sein könnte. China ist nämlich mit einem Handelsvolumen von fast 300 Milliarden Euro der weltweit wichtigste Handelspartner Deutschlands – anders etwa als Russland, das mit einem Volumen von rund 50 Milliarden Euro nur auf Platz 16 der wichtigsten Handelspartner der Bundesrepublik liegt. Die deutsche Volkswirtschaft würde es nur schwer verkraften, mit China ihren größten Handelspartner auf der Welt zu verlieren.

Woran kann man den neuen Umgang Berlins mit Peking erkennen?

Deutlich wurde er bereits an der reduzierten Beteiligung Chinas am Hamburger Hafen. Hier gibt es nun nur noch eine Minderheitsbeteiligung Pekings von 24,9 Prozent – ohne vertragliche Sonderrechte. Damit ist sichergestellt, dass das chinesische Unternehmen Cosco keinen Einfluss auf strategische Entscheidungen des Hamburger Hafens nehmen kann. Dadurch ist der größte und wichtigste Hafen Deutschlands geschützt, denn China hat hier keinen Zugriff auf Teile der kritischen Infrastruktur.

Welche Rolle spielt China im Ukraine-Konflikt?

Peking positioniert sich ambivalent. Auf der einen Seite hat es den russischen Überfall auf die Ukraine bei Abstimmungen der UNO nie eindeutig verurteilt. Zugleich betont es immer wieder seine guten Beziehungen zu Moskau, ganz besonders zu Wladimir Putin als Präsidenten, etwa im Zuge des so genannten Putschversuches der Wagner-Söldner im Juni 2023. Auf der anderen Seite warnte Peking Russland mehrfach öffentlich vor der Androhung mit oder dem Einsatz von Atomwaffen im Krieg gegen die Ukraine. Bundeskanzler Olaf Scholz gelang es, dies unter der deutschen Präsidentschaft als Botschaft des G20-Gipfels zu kommunizieren, ein Ergebnis intensiver diplomatischer Gespräche zwischen Berlin und Peking.

Spricht Deutschland seine China-Strategie mit seinen Partnern ab?

Ja, Bundeskanzler Scholz setzt in der deutschen China-Politik auf eine enge Koordinierung mit den westlichen Partnern und Verbündeten. Wie schon in der Russland-Politik lehnt der Kanzler auch gegenüber Peking nationale Alleingänge Deutschland strikt ab. Es gebe „eine gemeinsame Sicht, eine gemeinsame Sprache, eine gemeinsame Strategie“ der EU und der G7-Staaten gegenüber China, so Scholz.

Welche Bedeutung haben die Menschenrechte für die Beziehungen?

Sie spielen – aus Sicht Deutschlands – eine wichtige Rolle, oft zum Ärger der chinesischen Regierung. Berlin, an der Spitze der Bundeskanzler, thematisiert die Menschenrechte dennoch immer wieder in den Gesprächen mit Peking. Das gilt etwa für die fortdauernde Praktizierung der Todesstrafe in China, den Umgang mit der Demokratiebewegung im Land und hier besonders in Hong Kong, sowie für den Umgang mit der Minderheit der Uiguren. China weist die deutsche Kritik in Fragen der Menschenrechte immer wieder zurück und spricht von unzulässigen „Einmischungen in innere Angelegenheiten“ des Landes.

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Kommentare

China Strategie ist Rezept zum Scheitern

Die Ukraine-Strategie der Bundesregierung ist inzwischen für alle sichtbar krachend gescheitert. Die Ukraine wird kein Nato-Mitglied und sie verliert den Krieg. Waffenlieferungen haben keine Lösung gebracht und die Diplomatie wurde unter Baerbock abgeschafft.

Wollen wir das jetzt ernsthaft mit China wiederholen? Nicht spricht gegen die Reduktion von Risiken, aber das darf nicht weiterhin unter der Regie der USA passieren. Dann handeln wir uns nur wirtschaftliche Eigentore ein, von den die USA profitieren und die hiesige Industrie und die abhängig Beschäftigten leiden darunter.

Wir müssen uns eingestehen, dass wir schlichtweg nicht im Stande sind, uns kurzfristig von China (ebenso wie von Russland) zu "de-risken", weil wir die letzten Jahrzehnte damit verbracht haben, uns im Zuge der Globalisierung an sie zu binden. Wir werden auch nicht in der Lage sein, ein solches Manöver zu unseren Bedingungen durchzuführen, dazu ist China viel zu stark und für unsere Wirtschaft zu wichtig.

Scholz wäre gut beraten hier wesentlich demütigere Töne anzuschlagen und sich von der Chinapolitik der USA vollständig abzukoppeln. Die führt nur zum Krieg und zu unserem Nachteil.

Was ist mit De-Risking bei Chips aus Taiwan?

Das größte Risiko ist doch die Abhängigkeit von Taiwans Chip-Produktion. Eine Intel-Fabrik in Brandenburg reicht da zum "De-Risking" nicht aus. Und ein Drittel der Investitionssumme als Geschenk an einen US-amerikanischen Konzern ist auch kein Pappenstiel.

Und:
* Warum redet Ihr von "guten und engen wirtschaftlichen Beziehungen", wenn unser größter Bündnispartner, die USA, und unser Wirtschaftsraum, die EU-Kommission, mit allen Mitteln versucht haben, eine Gas-Pipeline zwischen Deutschland und Russland zu verhindern?
* Gibt es bei unserem wichtigsten Verbündeten, den USA, keine Todesstrafen?
* Ist Israels Siedlungspolitik etwa mit dem Völkerrecht vereinbar?

Ich werde den Eindruck nicht los, dass hier versucht wird, mit allgemeinen Floskeln vor allem US-amerikanische Interessen und Positionen innenpolitisch durchzusetzen.