Reichsbürger

Geplanter Umsturz: Die Melange, die auch die Nazis groß gemacht hat

Christian Wolff07. Dezember 2022
Die Sicherheitsbehörden haben einen geplanten Umsturz von Rechts verhindert. Beunruhigend bleibt, dass er von Mitgliedern des Adels, der AfD sowie von Polizei und Bundeswehr gemeinsam geplant wurde. Wir müssen als Gesellschaft wachsam bleiben.

Heute ist die Ampel-Koalition unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein Jahr im Amt. Doch die Schlagzeilen werden aktuell von anderen Meldungen beherrscht – so wie das erste Jahr der Ampel-Koalition wenige Wochen nach Amtsantritt vom Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und seine Folgen überschattet wurde. Da waren weniger Aufbruch und Fortschritt als vielmehr Krisenmanagement angesagt. Dringende Vorhaben der Ampelkoalition sind in den Hintergrund geraten. Das hat den Ampel-Parteien SPD,  FDP, Bündnis 90/Die Grünen nicht unbedingt Sympathiepunkte eingebracht.

Und nun heute das: Reichsbürger um Prinz Reuß Heinrich XIII. und der früheren Bundestagsabgeordneten der AfD und Richterin am Landgericht Berlin Birgit Malsack-Winkemann planten zusammen mit ehemaligen und aktiven Angehörigen der Bundeswehr und der Polizei einen Umsturz. Das über ganz Deutschland ausgedehnte rechtsradikale Netzwerk wollte das in die Tat umsetzen, was seit zwei Jahren auf unzähligen Demonstrationen der Corona-Leugner und Verschwörungsideologen per Plakate und Reden gefordert wird: die Regierung zu verjagen, vor Gericht zu stellen („Nürnberg 2.0“), abzuurteilen, zu eliminieren.

Wie schnell eine Demokratie kippen kann

Auch wenn man sich nur schwer vorstellen kann, dass ein solcher Umsturzversuch „erfolgreich“ sein kann – das Beunruhigende ist die Tatsache, dass in den militanten Verschwörungskreisen Mitglieder des Adels, einer im Bundestag vertretenen rechtsradikalen Partei (AfD), der Bundeswehr und der Polizei zusammenarbeiten. Es ist genau die Melange, die auch in der Weimarer Republik die Nationalsozialisten groß gemacht hat.

Hinzu kommt, dass der Sturm aufs Capitol in Washington am 6. Januar 2021 durch Anhänger vom damals noch amtierenden Präsidenten Donald Trump in erschreckender Weise offengelegt hat, wie schnell eine Demokratie kippen kann – von den sechs Wochen ganz zu schweigen, in denen zwischen dem 30. Januar (Hitler kommt an die Macht) und dem 23. März 1933 (Verabschiedung der Ermächtigungsgesetze) die demokratischen Strukturen der Weimarer Republik zerstört und in Deutschland eine brutale Diktatur errichtet wurde.

Dem Rechtsradikallismus den Kampf angesagt

Heute konnten die geplanten Umsturzabsichten des rechtsradikalen Netzwerkes um Reichsbürger, AfD u.a. durch einen vom Generalbundesanwalt veranlassten massiven Polizeieinsatz gestoppt und die bisher bekannten Hauptverantwortlichen verhaftet werden. Offensichtlich ist dies auch eine Folge davon, dass die Ampel-Koalition von Anfang an durch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dem Rechtsradikalismus den Kampf angesagt hat. Allein deswegen sollten wir über das Wirken der Ampel-Koalition froh sein. Denn es ist endlich Schluss mit der Verharmlosung der Gefahren, die von rechtsnationalistischen Parteien und ihren Helfershelfern in den Sicherheitsorganen ausgehen.

Über Jahrzehnte wurden die Augen verschlossen vor den Gefahren für die Demokratie, die von rechtsnationalistischen Kräften ausgehen. Auch die NSU-Morde und ihre skandalöse Vertuschung insbesondere durch den Verfassungsschutz hatten 2011ff nicht zu einer radikalen Umkehr geführt. Offensichtlich ist erst durch das entschlossene Agieren von Nancy Faeser eine andere Dynamik in die Ermittlungen gegen die rechtsradikalen Netzwerke gekommen.

Es ist zu hoffen, dass das, was sich offensichtlich in den vergangenen drei Jahren an neuen rechtsnationalistischen Gruppen aufgebaut und in diesem Jahr neue Nahrung bekommen hat, durch die heutige Razzia entscheidend geschwächt wurde. Es bleibt aber die Aufgabe: Demokratie kann dauerhaft nur geschützt werden durch Bürgerinnen und Bürger, die die freiheitliche Demokratie und den Rechtsstaat bejahen und ihn mit Leidenschaft verteidigen.

Der Text erschien zuerst im Blog des Autors.

weiterführender Artikel

Kommentare

oha, immer gleich die Superlative, d.h. die NAZI-

Sache. Ich habe schon an anderer Stelle ausgedrückt, dass die Gefahr einer Inszenierten Veranstaltung im Raume steht. Merkwürdig, dass so viele Pressevertreter zugegen waren bei den Aktionen der 3000 Polizisten, so dass es zur Quasi Live-Berichterstattung kam , wie bei den Spielen der FussballWM. Hoffentlich werden die Ermittlungsergebnisse dem Aufwand gerecht, sonst geht dieser Schuss nach Hinten los, auch angesichts des überlauten Schweigens zu anderen offensichtlichen Problemen, zuletzt in BW

die Wortwahl stimmt mich bedenklich, denn vom

"Abgrund terroristischer Bedrohung" - den Nancy hier sieht, ist es nur ein sprachlich kurzer Weg zum "Abgrund von Landesverrat", den Kanzler Adenauer in einer veröffentlichung des SPIEGEL meinte wahrnehmen zu müssen- wie sich herausstellte, eine dem Inhalt des maßgeblichen Artikels so gar nicht gerecht werdende Formulierung, die dann auch folgerichtig auf ihn zurückfiel. Wenn es schlecht ausgeht, fällt die Begrifflichkeit, die unsere IM hier verwandte, auf sie zurück. Hoffen wir auf Ermittlungsergebnisse , die dem Aufwand und auch der Formulierung wenigstens annähernd gerecht werden können. Angesichts des theologischen Kontextes können entsprechende Gebete nicht schaden, nicht wahr?

Ein Puetschchen eher ...

... denn wenn es nur ein Adliger war, zudem dieser unbekannte Herr im gauland-braunen Jackett, eine Afd-Politikerin u. Richterin, soweit ich das wahrnahm Unteroffiziersraenge und ein paar andere, so haetten die wenig ausgerichtet. Allenfalls haette es ein paar Tote im Reichstag gegeben, schlimm genug. Zieht man historische Parallelen, so draengt sich der Kapp-Putsch auf, der erste Versuch der voelkisch Rechten Pickelhauben 1920 oder der Hitler Putsch 1923. Beide scheiterten grandios, aber sie kamen wieder, da man die richtigen Konsequenzen nicht zog. Also: Aufrollen bis zum letzten Beteiligten, strenge Urteile und vor allem in der Politik schauen, dass sowas keinen Zulauf erhaelt, weil man der Bevoelkerung zuviel zumutet.

Waeren hier Generaele u. Oberste beteiligt gewesen, so waere das hoechst bedenklich und richtig gefaehrlich geworden - die Moeglichkeit der Machtergreifung dieser Irren war hingegen kaum da.

Ich moechte hier eine Lanze fuer den Adel brechen: Als Ende der 70er der Guardia-Civil Kommandeur im span. Parlament einen Schuss feuerte u. die Macht ergreifen wollte, aktivierte Juan Carlos die Armee u. bekannte sich zur Demokratie! Ein Guter, trotz aller Fehltritte!