SPD-Verkehrspolitikerin

Was das vorläufige Aus für das Straßenverkehrsgesetz bedeutet

Carl-Friedrich Höck30. November 2023
Mit einem neuen Straßenverkehrsgesetz wollte die Ampel für mehr Radwege und Tempo-30-Zonen sorgen. Der Bundesrat hat das Vorhaben nun gestoppt.
Mit einem neuen Straßenverkehrsgesetz wollte die Ampel für mehr Radwege und Tempo-30-Zonen sorgen. Der Bundesrat hat das Vorhaben nun gestoppt.
Mit einem neuen Straßenverkehrsgesetz wollte die Ampel für mehr Radwege und Tempo-30-Zonen sorgen. Am Freitag hat der Bundesrat das Gesetz gestoppt. Die SPD-Abgeordnete Isabel Cademartori vermutet, dass die Blockade parteipolitisch motiviert ist.

Der Bundesrat hat am Freitag das Straßenverkehrsgesetz abgelehnt. War das eine absehbare Entscheidung oder kam sie überraschend?

Das kam in der Tat sehr überraschend, weil es im Vorfeld andere Signale gab. Deswegen konnten wir bis zu dem Tag der Abstimmung nicht davon ausgehen, dass die Entscheidung so fallen würde. Wir können sie auch nicht nachvollziehen.

Was vermuten Sie, woran das Gesetz gescheitert ist?

Was fachlich dagegen vorgebracht wurde, ist aus meiner Sicht nicht stichhaltig. Es wurde kolportiert, dass das Ziel, den Verkehr sicher und flüssig zu gestalten, durch die Hinzunahme weiterer Ziele verwässert würde, vor allem zu Lasten der Verkehrssicherheit. Das widerspricht aber der Meinung vieler Expert*innen. Mit dem neuen Straßenverkehrsgesetz könnte sogar an vielen Stellen mehr Rücksicht auf die Verkehrssicherheit genommen werden, als das bisher der Fall war.

Das Abstimmungsergebnis lässt vermuten, dass das Gesetz eher aus einer parteipolitischen Erwägung heraus abgelehnt wurde. Die Bundesländer mit Regierungsbeteiligung der CDU/CSU wollten einfach Projekte der Ampel im Bundesrat blockieren.

SPD-VerkehrspolitikerinIsabell Cadematori: Das Abstimmungsergebnis lässt vermuten, dass das Gesetz eher aus einer parteipolitischen Erwägung heraus abgelehnt wurde.

Gibt es denn Anzeichen dafür?

Da wir in den Tagen vorher aus manchen Bundesländern noch andere Signale erhalten haben, muss es kurzfristig eine Einigung innerhalb der Unionsparteien gegeben haben, in die Blockadehaltung zu gehen.

Neben dem Straßenverkehrsgesetz sollte eigentlich auch eine neue Straßenverkehrsordnung beschlossen werden. Die wurde aber im Bundesrat gar nicht mehr abgestimmt. Ist sie ohne die neue Gesetzesgrundlage hinfällig?

Genau. Es braucht das neue Straßenverkehrsgesetz als rechtliche Grundlage für die neue Straßenverkehrsordnung.

Was sollte die neue Straßenverkehrsordnung ändern?

Sie hätte den Kommunen erleichtert, Tempo 30 auszuweisen. Sie hätten auch mehr Möglichkeiten bekommen, um zum Beispiel Busspuren, Fahrradspuren oder Zebrastreifen einzurichten. Das musste bisher immer sehr aufwendig begründet werden. Im Kern geht es also um mehr Entscheidungsspielräume für die Kommunen. Konkret heißt dies mehr Flexibilität für die Kommunen. Sie können individuell auf örtliche Verkehrssituationen reagieren und auch mehr ausprobieren. Das betrifft auch die Möglichkeit, Lücken zwischen 50er- und 30er-Bereichen zu schließen. Wenn zum Beispiel bisher vor einer Kita Tempo 30 angeordnet ist, ein paar hundert Meter weiter wegen eines Altersheims ebenfalls Tempo 30 gilt, dann sollte man die Strecke dazwischen sinnvollerweise auch mit Tempo 30 ausweisen, statt die Geschwindigkeitsvorgaben ständig zu wechseln.

Wie geht es jetzt mit dem Gesetz weiter? Ist es gescheitert?

Es gibt die Option, in den Vermittlungsausschuss zu gehen. Das kann entweder der Bundestag, die Bundesregierung oder der Bundesrat selbst veranlassen. Sinn macht das aber nur, wenn wir eine verlässliche Aussage darüber bekommen, an welchen Punkten überhaupt nachgearbeitet werden soll. Wenn das Gesetz gar nicht aus fachlichen Gründen abgelehnt, sondern parteipolitisch motiviert blockiert wurde, kann ein Vermittlungsausschuss den Konflikt kaum auflösen.

Die SPD-Fraktion strebt an, dass es in den Vermittlungsausschuss geht, damit wir dieses Straßenverkehrsgesetz auf den Weg bringen können – und damit auch die Straßenverkehrsordnung. Nur ist es jetzt wichtig, dass die Länder, die nicht zugestimmt haben, da auch zur Klärung beitragen. Da müssen auch das grün geführte Baden-Württemberg oder Länder mit grüner Regierungsbeteiligung wie Nordrhein-Westfalen ein Signal geben, ob sie das Gesetz wollen oder nicht.

Der Deutsche Städtetag hat die Entscheidung des Bundesrates kritisiert: Damit werde die Verkehrswende vor Ort ausgebremst. Was bedeutet sie denn aus Ihrer Sicht für die Kommunen?

Der Städtetag hat völlig recht. Der Gesetzentwurf ist ein Versuch gewesen, den Kommunen mehr Spielräume aufzumachen. Das fordern die Kommunen parteiübergreifend. Es gibt das Bündnis „Lebenswerte Städte und Gemeinden durch angemessene Geschwindigkeiten“. Dort engagieren sich mehr als 1.000 Kommunen, und es sind Bürgermeister*innen und Oberbürgermeister*innen auch aus der Union dabei.

Ich halte die Entscheidung des Bundesrates gegenüber den Kommunen für verantwortungslos. Die politische Blockade soll sich vielleicht gegen die Ampel-Regierung richten, aber die Leidtragenden sind die Städte und Gemeinden. Es wird Ihnen jeder Baubürgermeister oder Dezernentin bestätigen, wie mühsam es zum Beispiel ist, selbst kleine Änderungen in der Aufteilung des Verkehrsraums durchzuführen. Es braucht örtliche individuelle Lösungen, die mit der StVO-Reform möglich gewesen wären. Deswegen kann ich verstehen, dass die Kommunen verärgert sind. Das sollten sie auch an ihre Länder klar so adressieren, damit das Straßenverkehrsgesetz nicht zum parteipolitischen Spielball gemacht wird.

Der Text erschien zuerst auf demo-online.de.

Die Gesprächspartnerin

Isabel Cademartori ist verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion.

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Kommentare

sehr bedauerlich, die Haltung einiger Länder- hätte man das nich

t vorher sndieren können, und dann mit etwas geld nachhefen bei denen, die so nicht zustimmen wollten. Es handelt sich ja nicht um den ersten Fall, wo renitenz der Länder instrumentalisiert wird, um für dieses oder jenes mehr Geld vom Bund zu fordern. Das hat diesmal offensichtlich nicht geklappt. Sehr schade, denn in der Sache ist unsere Bundesregierung unter der formidablen Führung unseres Olaf Scholz ja auf dem richtigen Weg. Wir müssen die Autos aus den Städten verbannen oder ihre Nutzung jedenfalls an den Bedürfnissen der Städter ausrichten, und nicht den Bedürfnissen der SUV Fahrer. Das wissen alle, auch die Länder, wenn es nicht anders geht, muss deren Zustimmung dann halt bezahlt werden. Nicht schön, aber auch nicht so ungewöhnlich

Wir müssen PKWs + LKWs aus den Städten verbannen

oder deren Nutzung jedenfalls an den Bedürfnissen der a u t o l o s e n Städter ausrichten. Schliesslich sind die Preise für Lebensmittel, Handwerkerleistungen ... ja noch viel zu niedig.

nicht wahr, wir sind uns einig

zumal ja jetzt auch die Rechtsprechung eingreift in unserem Sinne und im Sinne der Parteipolitik in dieser Frage

die Sicherstellung der Autolosigkeit von Städtern ist auch ohne

Bundesgesetzgebung möglich- das läuft bereits uns mit guten Zwischenergebnissen. Es gibt keinen bezahlbaren Parkraum mehr, damit erübrigt sich die Anschaffung eines PKW für die weit überweidende Stadtbevölkerung. An die Eigentümer ausreichend großer Grundstücke mit Einfamilienhäusern gelangt man über die grundsteuer- auch hier muss der Bund nichts mehr machen- die Städte können heute schon entsprechende agieren. Tempolimits wäre dennoch schön, wegen der zu erreichenden Prozessbeschleunigung- sie werden ja auch kommen, nur etwas später und vermutlich gegen bare Münze

Mehr PKWs + LKWs in der Stadt=

Sinkende Preise für Lebensmittel, Handwerksdienstleistungen, ...

Eine interessante These. Bitte um detaillierte Begründung, warum mehr LKWs und mehr PKWs in der Stadt sich positiv auf Preise auswirken?

Bitte dabei auch darauf eingehen, wie die Preise durch a u t o l o s e Menschen auf dem Land beeinflusst werden.

https://www.derstandard.de/story/2000130931591/geht-doch-wie-leben-auf-d...