Leitantrag für den Parteitag

SPD-Chef Klingbeil: Die Schuldenbremse braucht eine Generalüberholung.

Kai Doering10. November 2023
SPD-Chef Lars Klingbeil: Es braucht ein neues Zusammenspiel von Staat und Markt.
SPD-Chef Lars Klingbeil: Es braucht ein neues Zusammenspiel von Staat und Markt.
Die SPD will, dass mehr investiert wird in die Zukunft Deutschlands. So sieht es der Leitantrag für den Parteitag vor. SPD-Chef Lars Klingbeil erklärt, wie er Unternehmen zu Investitionen animieren will und warum Reiche bereit sind, mehr zu leisten.

Die SPD will jedes Jahr mehr als 100 Milliarden Euro zusätzlich investieren, um den Ausbau der Infrastruktur, von Bildung und die Digitalisierung voranzutreiben. Wie kommen Sie auf diese Summe?

Wir wollen, dass Deutschland ein starkes Land bleibt. Dafür müssen wir in den klimaneutralen Umbau unserer Wirtschaft investieren, also in Stromnetze, in den Ausbau von Erneuerbaren Energien, in Weiterbildung von Fachkräften und ja auch in die Digitalisierung. Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft gehen davon aus, dass dafür rund 100 Milliarden Euro jährlich nötig sein werden. Das ist viel Geld, aber jeder Cent wird sich lohnen. Ich bin persönlich davon überzeugt, dass die Umbruchsprozesse, die gerade vor uns liegen, große Chancen bieten. In verschiedenen Branchen können durch den klimaneutralen Umbau in den nächsten fünf oder sechs Jahren eine Million neue, gutbezahlte Arbeitsplätze entstehen, wenn wir das jetzt richtig angehen. Es braucht ein neues Zusammenspiel von Staat und Markt, damit die notwendigen Investitionen angekurbelt werden.

Der Großteil des Geldes soll aus der Privatwirtschaft kommen. Wieso sollten Unternehmen ein Interesse haben, in großem Umfang zu investieren? Zurzeit halten sie sich ja eher zurück.

Investieren in die Zukunft unseres Landes muss deutlich attraktiver werden, dann wird das auch klappen. Deshalb wollen wir einen Deutschlandfonds aufsetzen, über den Staat und private Kapitalgeber gemeinsam schnell und unbürokratisch in Projekte investieren können. Das Geld soll zum Beispiel Unternehmen helfen, durch die Transformation, also den Wandel hin zu Klimaneutralität, zu kommen. Auch strategisch wichtige Start-ups könnten mit Geld aus dem Deutschlandfonds unterstützt werden. Die Investitionen sind dann an klar definierte Kriterien geknüpft wie etwa ordentliche Löhne für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Auch der Staat soll sich stärker beteiligen. Die SPD will dafür u.a. die Erbschaftssteuer reformieren und eine temporäre Krisenabgabe für Super-Reiche einführen. Ist das mit den derzeitigen politischen Mehrheiten realistisch?

Die Aufgaben, die vor uns liegen, werden wir in dieser Legislaturperiode nicht alle bewältigen können, auch wenn die Ampel unter der Führung von Olaf Scholz bereits viele Dinge anstößt, um Deutschland zu modernisieren. Deshalb haben wir ja einen Plan ausgearbeitet, wie Deutschland in den nächsten 15 Jahren ein starkes Land bleibt. Und dazu gehört auch, dass sich Super-Reiche und Mega-Erben mehr an der Finanzierung dieser Stärke beteiligen müssen. Wir finden das mit Blick auf die ungleiche Verteilung von Vermögen und Erbschaften sehr gerecht. Und ich bin auch davon überzeugt, dass viele sehr reiche Menschen sogar bereit sind, mehr zu leisten, wenn sie wissen, dass das Geld in die Zukunft unseres Landes fließt, in gute Bildung, Schulen auf der Höhe der Zeit und in digitalisiere Verwaltungen.

Die Schuldenbremse sieht die SPD immer mehr als Wachstumsbremse. Wie wollen Sie sie ändern, damit sie den Herausforderungen der Transformation gerecht wird?

Die Schuldenbremse braucht eine Generalüberholung. Das wird nur mit einer Grundgesetzänderung gehen, für die wir aktuell nicht die politischen Mehrheiten haben. Deshalb wollen wir kurzfristig zum Beispiel die so genannte Konjunkturkomponente so ändern, dass mehr Geld in die Wirtschaft oder in die Bildung fließen kann. Jeder Euro, der in die Modernisierung des Landes fließt, ist ein Euro in unseren Wohlstand, in gute Jobs und gute Löhne.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

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Kommentare

genauso ist es, Mehr Geld drucken, dann

ist genug da für Investitionen. Mir ist völlig rätselhaft, warum man da nicht früher drauf kommen konnte. Mehr Investitionen sind dann doch auch steigende Steuereinnahmen, so dass die Schulden sich selber tilgen. Fangt endlich an, es ist doch so einfach

Wasch mich, aber mach mich nicht nass!

Ein typischer Klingbeil: Auf Grundlage einer falschen Analyse (die Schuldenbremse ist vielmehr kontraproduktiv und nicht nur reformbedürftig) werden ein paar unrealistische Handlungswege aufgezeigt, um die Klientel zu beruhigen.

Wie sollen Staat und Privatwirtschaft auf Grundlage des "Deutschlandfonds" zusammenwirken? Klingt sehr nach Sozialisierung der Risiken und Privatisierung der Gewinne. Mit anderen Worten: Klassische Umverteilung von unten nach oben.

Auf der anderen Seite nur Luftblasen zur Beruhigung:

Warum nur eine temporäre Reichensteuer? Ist die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich nicht eine dauerhafte Vermögensabgabe wert? Wie hoch soll die Erbschaftssteuer sein? Das alles ist zu vage, um glaubwürdig zu sein.

Ohne das explizite Anerkenntnis, dass in unserem Landes die Vermögensverteilung grundlegend aus dem Ruder gelaufen ist, kann ich das nicht ernstnehmen. Das übliche Schicksal solcher Phrasen ist, dass die kapitaldienlichen Teile wie der Deutschlandsfonds umgesetzt werden und die Gegenmaßnahmen wie Erbaschafts- und Vermögenssteuer "leider" keine Mehrheit finden.

Folge: Umverteilung von unten nach oben. Reicht das der SPD weiterhin?

Schuldenbremse ?

Jetzt machen sie eben "Sondervermögen". Als dieser Unfug auf Wunsch des Kapitals eingeführt wurde (Grundgesetz) war DIE SPD begeistert, obwohl es genügend warnende Stimmen gab.
Das Kapital dachte sich: wenn die kein Geld mehr haben für die Infrastruktur, dann steigen wir mit PPP und solchen Konstrukten ein und sahnen gewaltig ab - ist gelungen. Gegenmaßnahmen auch das Kapital zu melken unterblieben, wie Peter Plutarch schon schrieb. Es wäre langsam an der Zeit aus den begangenen Fehlern zu lernen !!!!!

Rückfrage

Wer oder was ist genau mit "Das Kapital" gemeint?

Rückfrage ??

Sollte ich "das Kapital" vielleicht besser (?) "Investoren" nennen ?????

Wirtschaftsaktivisten, das

würde ich empfehlen

Diese Frage von einem Beschäftigten des Vorwärts?

Das ist schon ziemlich überraschend. Schon vergessen: Die SPD ist als eine Arbeiterpartei gegründet worden auf der Grundlage von Marx. Ich weiß, heutzutage gilt das alles nicht mehr. Aber so eine rethorische Gegenfrage ist schon eine Offenbarung...

Verstehen

Wir bemühen uns, unsere Leserinnen und Leser zu verstehen. Wenn solche Dinge in den Raum gestellt werden, umso mehr. Und unter "dem Kapital" kann man ja nun wirklich sehr viel verstehen.