Komplizierte Mehrheiten

NRW und Schleswig-Holstein wählen: Was sich im Bundesrat ändern könnte

Benedikt Dittrich02. Mai 2022
Die Vertretung der Landesregierungen: Der Bundesrat.
Die Vertretung der Landesregierungen: Der Bundesrat.
In Nordrhein-Westfalen und Schleswig Holstein wird im Mai gewählt. In beiden Bundesländern regiert derzeit ein CDU-Ministerpräsident. Aber welche Bedeutung hätte ein Regierungswechsel für die Mehrheiten im Bundesrat?

Am 8. Mai Schleswig-Holstein, am 15. Mai Nordrhein-Westfalen: In diesem Monat wird in zwei Bundesländern ein neuer Landtag gewählt. Im Wahlkampf spielen viele verschiedene Themen eine Rolle – vom Wohnungsbau bis zum Ausbau der Erneuerbaren Energien, von Innerer Sicherheit bis zur Verkehrsinfrastruktur gibt es eine Vielzahl verschiedener Debatten in den Wahlkämpfen. Zustimmung, oder Ablehnung, zufrieden über den Status Quo im Bundesland oder der Wunsch nach Veränderung – darüber wird im Norden und im Westen der Republik in diesem Monat abgestimmt.

Doch was hätte ein Regierungswechsel in diesen Bundesländern eigentlich für Auswirkungen auf die Bundespolitik? Dafür lohnt ein Blick in den Bundesrat, über den die Landesregierungen auch die Politik im Bundestag mitgestalten, fördern oder blockieren können.

Wie setzt sich der Bundesrat derzeit zusammen?

Im Bundesrat sind die Regierungen aller 16 Bundesländer vertreten. Die Anzahl der Stimmen richtet sich dabei nach der Bevölkerungsgröße der Bundesländer – so haben beispielsweise Bremen oder Mecklenburg-Vorpommern nur drei Stimmen, Schleswig-Holstein vier und Länder wie Nordrhein-Westfalen sogar sechs. Insgesamt kommen so 69 Stimmen zusammen, ab 35 Stimmen gäbe es im Bundesrat also eine rechnerische Mehrheit.

Welche Partei hat eine Mehrheit im Bundesrat?

Schaut man nur auf die Parteien, die die Landesregierungen anführen, hätte die SPD mit 8 von 16 Landesregierungen die Nase vorn. Eine Mehrheit der Stimmen ergibt sich dadurch aber nicht. Allerdings gibt es diese Mehrheit im Bundesrat eigentlich sowieso nicht. Denn bis auf wenige Ausnahmen – zur Zeit das Saarland mit einer SPD-Alleinregierung – bestehen die Landesregierungen aus verschiedenen Koalitionen. Die Zeiten wo sich der Bundesrat zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün aufteilte, sind lange vorbei. Und damit auch die Zeiten, in denen wahlweise von „Durchregieren“ oder „Blockade“ im Bundesrat gesprochen werden konnte.

Gibt es also keine klaren Abstimmungsverhältnisse?

Die Mehrheitsfindung im Bundesrat ist komplizierter geworden, seitdem es Ampel-Koalitionen, grüne und linke Landesregierungen gibt. Sind sich die Koalitionen in den Bundesländern nicht einig, führt das oft zu Enthaltungen bei den Abstimmungen im Bundesrat. Es spielt also im Bundesrat tatsächlich eine untergeordnete Rolle, welche Partei die Landesregierung anführt. 15 verschiedene Bündnisse sind momentan im Bundesrat vertreten.

Mehrheiten gibt es aber dennoch entlang von Koalitionen: Regierungen aus SPD, Grünen und FDP, also der Parteien, die derzeit die Ampel-Koalitionen im Bund bilden, stimmen in der Regel mit der Bundesregierung. Aus Sicht der Sozialdemokrat*innen sind derzeit solche Koalitionen oder natürlich Alleinregierungen wie im Saarland gut für Abstimmungen im Bundesrat. Derzeit regiert in Hamburg unter Peter Tschentscher (SPD) ein rot-grünes Bündnis, Malu Dreyer (SPD) regiert in Rheinland-Pfalz in einer Ampel-Koalition.

Zusammengerechnet sind das zehn Stimmen, bei passenden Koalitionen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein kämen noch einmal zehn hinzu – alle anderen Bundesländer werden von Koalitionen regiert, an denen entweder CDU, CSU oder Linkspartei beteiligt sind.

Was könnten die Wahlen in NRW und Schleswig-Holstein im Bundesrat verändern?

In beiden Ländern stellt derzeit die CDU und damit die Oppositionspartei im Bundestag die Ministerpräsidenten. Würden künftig Thomas Losse-Müller und Thomas Kutschaty von der SPD die Landesregierungen anführen, würden die Sozialdemokrat*innen ihren Einfluss im Bundesrat also weiter ausbauen. Derzeit werden acht Bundesländer von der SPD geführt, sechs von CDU/CSU, Thüringen von der Linken (Bodo Ramelow) und Baden-Württemberg von den Grünen (Winfried Kretschmann). Es kommt aber auf die künftige Koalition an, ob sich dadurch die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat wesentlich verändern. In NRW wäre beispielsweise ein rot-grünes Bündnis denkbar, eine Ampel-Koalition ebenso.

Außerdem hat es natürlich eine politische Bedeutung, wenn eine Landesregierung abgewählt wird – erst Recht, wenn es die Regierung des bevölkerungsreichsten Bundeslandes ist: In NRW leben fast 18 Millionen Menschen. Seit 2017 regiert dort die CDU mit der FDP, erst mit Armin Laschet, dann mit Hendrik Wüst. Es ist auch die Heimat des CDU-Parteichefs Friedrich Merz.

Worüber stimmt der Bundesrat eigentlich ab?

Vereinfacht gesagt: Über alle Gesetze, die auch die Kompetenzen der Bundesländer betreffen. In der Realität ist es komplizierter.

Das Grundgesetz (Artikel 50) sieht grundsätzlich eine Mitwirkungspflicht des Bundesrats bei Gesetzgebungsverfahren des Bundes. Jedes Bundesgesetz muss also auch durch den Bundesrat. Allerdings gibt es Gesetze, die auch ohne explizite Zustimmung des Bundesrats in Kraft treten können, für andere braucht es hingegen eine klare Zustimmung. Außerdem kann der Bundesrat Einspruch gegen Gesetze erheben oder eigene Gesetzesinitiativen einbringen, mi denen sich dann Bundestag und Bundesregierung befassen müssen.

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