Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen

20. April 1947: Politischer Start in drei neuen Ländern

Klaus Wettig20. April 2023
Erster Landesvater: Der Sozialdemokrat Hinrich Wilhelm Kopf war erster Ministerpräsident des neu geschaffenen Bundeslandes Niedersachsen.
Erster Landesvater: Der Sozialdemokrat Hinrich Wilhelm Kopf war erster Ministerpräsident des neu geschaffenen Bundeslandes Niedersachsen.
Für den 20. April 1947 setzte die Britische Militärregierung Wahlen in den neu gebildeten Ländern ihrer Besatzungszone an: in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Zwei Mal setzte sich die SPD durch.

Die Westalliierten beeilten sich mit der Bildung neuer Länder, nachdem sich 1946 abzeichnete, dass mit der Sowjetischen Besatzungsmacht keine Einigung über Deutschland als Ganzes zu erzielen war. Im ersten Schritt war den Deutschen in der Kommunalpolitik Verantwortung übertragen worden, jetzt sollte im zweiten Schritt mit neuen Ländern die Rückkehr in die Demokratie gefördert und die Selbstverantwortung für den Wiederaufbau des zerstörten Landes gestärkt werden. Damit die Westalliierten handeln konnten, musste das Land Preußen aufgelöst werden, denn Preußen reichte in jede Besatzungszone hinein. Die Auflösung Preußens erreichte der Alliierte Kontrollrat, sogar unter Mitwirkung der Sowjetischen Besatzungsmacht am 25. Februar 1947, danach war der Weg frei für die Länderbildung, die Ende 1946 schon begonnen hatte.

Wahlen in drei Ländern

Sehr schnell handelte die US-Besatzungsmacht in ihrer Besatzungszone, sodass dort am 1. Dezember 1946 in Bayern und Hessen gewählt wurde. Das Wahlergebnis fiel für die SPD gemischt aus. Obwohl in Bayern bisher Wilhelm Hoegner (SPD) Ministerpräsident war, fiel die SPD auf den zweiten Platz zurück. Die CSU schaffte ihren ersten Wahlsieg in Bayern und erreichte 104 Sitze, die SPD nur 54. Erfolgreicher für die SPD fiel die Wahl im neu gebildeten Hessen aus, wo der 1919 aus dem Großherzogtum entstandene Volksstaat um preußische Teile erweitert wurde. Hier wurde die SPD mit 38 Sitzen stärkste Partei, gefolgt von der CDU mit 28 Sitzen. Die Vorläuferin der FDP, die Liberaldemokraten, kamen auf 14 Sitze. Auch die KPD war mit 10 Sitzen noch eine relevante Größe. Ab Ende 1946 gab es in Hessen bis 1987 SPD-Ministerpräsidenten.

Für den 20. April 1947 setzte die Britische Militärregierung die Wahlen in den neu gebildeten Ländern ihrer Besatzungszone an: in Nordrhein-Westfalen, das aus den preußischen Provinzen Westfalen sowie der Hälfte der Rheinprovinz und dem historischen Land Lippe zusammengefügt worden war, und in der ehemals preußischen Provinz Schleswig-Holstein, die erweitert um die Hansestadt Lübeck und ehemals oldenburgische Gebiete das neue Land Schleswig-Holstein bildete.

Komplizierter fiel der Zusammenschluss zum neuen Land Niedersachsen aus, das gegen einigen Widerstand im Kern aus der ehemaligen Provinz Hannover entstand. An Hannover war zuvor das seit 1648 selbstständige Land Schaumburg-Lippe angeschlossen worden. Gab es dort wenig Wilderstand, fehlte es an eindeutiger Zustimmung zum Zusammenschluss zu Niedersachsen in Braunschweig und Oldenburg, wo die Größen dieser historischen Länder für die Selbstständigkeit mobilisiert werden konnten. In beiden Ländern sprach sich die SPD für die Fusion aus, da sie in der größeren Einheit Niedersachsen eine notwendige Voraussetzung für den Wiederaufbau sah. Die Militärregierung war ohnehin zum Zusammenschluss entschlossen.

Wahlkampf ohne Plakate und Fernsehspots

In den neugebildeten Ländern musste nach den Weisungen der Militärregierung eine „Grundordnung“ beschlossen werden, die später durch Landesverfassungen ersetzt wurde. Nur Hessen startete mit einer Verfassung. Und Wahlgesetze mussten beschlossen werden. Überraschend entschieden sich die ernannten Landtage für ein Verhältniswahlrecht, das mit einem Personenwahlrecht verknüpft wurde. Diese Grundentscheidung, die prägend für das spätere Wahlrecht in der Bundesrepublik wirkte, beruhte auf einem Kompromiss zwischen CDU und SPD. Die Sozialdemokraten plädierten für ein Verhältniswahlrecht, während die Christdemokraten ein Personenwahlrecht bevorzugten.

Der Wahlkampf 1947 unterschied sich fundamental von späteren Wahlkämpfen: Der Papiermangel erlaubte keine Flugblätter, Broschüren oder Wahlplakate. Rundfunkwerbung gab es nicht; das Fernsehen existierte nicht. Die Mobilität war eingeschränkt, deshalb baten die Parteien die Militärregierung ausdrücklich um Zuteilung von Pkws und Benzin. Zeitungen erschienen nur zwei bis drei Mal wöchentlich. Da es reine Parteizeitungen waren, wurden nur die Kandidaten der eigenen Partei vorgestellt. Nur der Versammlungswahlkampf scheint Zuspruch gefunden zu haben. Immerhin gelang in den Ländern mit hohem Vertriebenenanteil die Registrierung der Wahlberechtigten, obwohl die Wahlbeteiligung überall gering blieb. Ehemalige Nationalsozialisten, deren Spruchkammerverfahren noch nicht abgeschlossen waren, besaßen kein Wahlrecht.

Die SPD siegt in zwei Ländern, die CDU in einem

In Schleswig-Holstein schaffte die SPD mit 43 Sitzen vor den 21 Sitzen für die CDU einen hohen Wahlsieg, sodass sie mit Hermann Lüdemann in einer Alleinregierung den Ministerpräsidenten stellte. Ihm folgte schon 1949 Bruno Dieckmann. Als 1950 mit dem Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) erstmals eine Vertriebenenpartei antrat, endete die SPD-Regierungszeit, da die CDU mit dem BHE und der FDP eine Landesregierung bildete, die sie mit wechselnden Ministerpräsidenten bis 1988 behaupten konnte. Erst der Wahlsieg von Björn Engholm 1988 unterbrach die CDU-Dauerherrschaft.

In Niedersachsen setzte sich die SPD an die Spitze der Landesparteien. Unter Hinrich-Wilhelm Kopf erreichte sie 64 Sitzen, während das konservative Lager aus CDU und welfisch geprägter Deutscher Partei (DP) nur 58 Sitze schafften. Da sie mit der FDP nicht zusammenfanden, entstand für Jahrzehnte die SPD-Dominanz, die die CDU erst nach der Übernahme der DP brechen konnte. 1974 lag sie erstmals vor der SPD, durch einen verunglückten Ministerpräsidentenwechsel der SPD stellte sie ab 1976 den Ministerpräsidenten mit Ernst Albrecht, den Gerhard Schröder 1990 ablöste.

Im neuen Nordrhein-Westfalen lag die CDU knapp vor der SPD, sodass zunächst eine Allparteienregierung unter Franz Arnold (CDU) gebildet wurde, die die CDU nach der Landtagswahl 1950 zu einer Alleinregierung ausbauen konnte, zweitweise um FDP-Minister erweitert. Erst 1966 gelang Heinz Kühn (SPD) ein überragender Wahlsieg, der eine SPD-Regierungszeit bis 2005 einleitete.

In der französischen Zone dauerte die Vorbereitung länger

Die Stadtstaaten Bremen (amerikanische Besatzungszone) und Hamburg (britische Besatzungszone) hatten schon am 13.10. bzw. am 21.11.1946 gewählt, jeweils mit großen Mehrheiten für die SPD, die am Senat jedoch die FDP beteiligte.

Mehr Zeit für die Landtagswahlen benötigte die Französische Militärregierung, die erst am 9. Juli 1947 im aus preußischen und bayrischen Teilen zusammengesetzten Land Rheinland-Pfalz wählen ließ. Hier schaffte die CDU unter Peter Altmeier einen Wahlsieg, der nach einer Übergangszeit mit einer Allparteienregierung den Grundstein für die lange Regierungszeit bis 1991 legte. Erst Rudolf Scharping (SPD) beendete 1991 die Dominanz der CDU.

In den französisch besetzten Teilen des heutigen Baden-Württembergs brachten die Wahlen 1947 in Südbaden und Württemberg-Hohenzollern Wahlsiege für die CDU mit über 50 Prozent. Erst am 9. März 1952 wurde dort im gemeinsamen Bundesland gewählt. Bis 1972 regierten dort CDU/SPD- oder CDU/FDP-Regierungen, danach eine lange Zeit von CDU-Regierungen, die erst 2011 durch den Wahlsieg der Grünen endeten.

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Kommentare

Wege zur Demokratie

Der Vorgängerartikel über Adenauers Umtriebe zeigt aber auch deutlich wie es um die Demokratie, die da von den Alliierten installiert wurde, bestellt war. Diverse Kleinparteien, die sich demokratisch gerierten, aber auch CDU und FDP wurden Heimstätten für Nazis. Besonders in der britischen Zone unterlief die SPD mit ihrem agressiven Antikommunismus ihr eigenes Programm und in Baiern musste die CSU erst mal von den namensgebenden "Sozialen" gereinigt werden.
Die SPD hatte in den 1950er Jahren das Glück die Besten von den Gesamtdeutschen und dem Zentrum in ihren Reihen wiederfinden zu können.