Film der Woche

Filmtipp „Elefant“: Männerliebe – Aufreger auf dem Land

25. August 2023
Seltenes Glück: Bartek (Jan Hrynkiewicz) und Dawid (Pawel Tomaszewski) haben sich gefunden.
Seltenes Glück: Bartek (Jan Hrynkiewicz) und Dawid (Pawel Tomaszewski) haben sich gefunden.
Zwei verliebte Männer bringen ein Dorf gegen sich auf: Das polnische Drama „Elefant“ beschwört den Geist des großen queeren Kinos und zeigt Kante gegenüber Intoleranz.

Die Eigenheime in dem Dorf haben schöne Fassaden, doch dahinter laut viel Hässliches: aggressiver Stumpfsinn und Engstirnigkeit, gespeist von Perspektivlosigkeit. Manchmal ist dort aber auch Platz für Träume. Einer, der das Träumen nicht aufgegeben hat, ist Bartek (Jan Hrynkiewicz).

Ein Traum gibt Energie

Tag für Tag rackert sich der 22-Jährige auf seinem Bauernhof im Süden Polens ab. Seit der Vater im Ausland verschwand, führt der Sohn den Hof, stets kritisch beäugt von der exzentrischen Mutter (großartig: Ewa Skibinska). Ein heiles, jungen Menschen Halt gebendes Zuhause sieht anders aus. Doch wer hat das schon in dieser abgehängten Gegend? Barteks Traum gibt ihm die Energie, an diesem öden Leben nicht kaputtzugehen. Es ist ein eigenes Gestüt. Ein paar Pferde nennt er immerhin schon sein Eigen. Bei jedem Ritt durch die sanften Hügel der Tatra kommt er seiner Zukunftsvision zumindest gefühlt ein bisschen näher.

Diese Vision wird unverhofft auf den Prüfstand gestellt. Eines Tages taucht der Sohn eines verstorbenen Nachbarn nach Jahren wieder auf. Bartek fühlt sich zu dem Weltenbummler und Musiker hingezogen. Der wiederum hält gar nichts von der Idee, sich an dem ungeliebten Ort seiner Kindheit niederzulassen. Bartek muss sich zwischen dem Pferdeidyll und dem Glück mit Dawid (Pawel Tomaszewski) entscheiden. Derweil geraten die beiden zunehmend ins Visier homophober Dorfbewohner*innen.

Zwischen Pflicht und Lust

„Elefant“ ist genauso widersprüchlich und facettenreich wie die Figur des zwischen Pflichtgefühl und Lust hin und her gerissenen Bartek, der seine Sehnsüchte mit der Liebe zu seiner Heimat vereint, die kaum als geeigneter Ort erscheint, seine Wünsche zu verwirklichen. Queeres Liebesdrama, kritisches Provinz-Porträt und ein in malerisch-imposanten Bildern eingefangener „Heimatfilm“: Der polnische Regisseur Kamil Krawczycki verquickt scheinbar konträre ästhetische Konzepte miteinander. Doch geht dieser Mix wirklich auf?

Geografisch wie inhaltlich kehrt der Filmemacher zurück zu seinen Wurzeln. „Es ist eine Region mit einer atemberaubenden Natur, aber für Schwule und Lesben ist es ziemlich schwer, dort zu leben“, so der 33-Jährige laut Presseheft. Dieses von extremen Gegensätzen geprägte Wesen einer Landschaft prägt auch seinen neuen Film. Dieser sieht sich ihn in der Tradition von queeren Blockbustern wie „Brokeback Mountain“ – was nicht nur dann überdeutlich zu spüren ist, wenn zwei verliebte Männer hoch zu Ross der Abendsonne entgegenreiten.

Dass „Elefant“ ebenfalls international durch die Decke geht, ist kaum zu erwarten. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Liebesgeschichte recht konventionell erzählt wird, ihr dramaturgisch rasch die Puste ausgeht und viele Fragen offenbleiben. Nimmt man die einzelnen Erzählstränge allerdings zusammen, hat man ein schillerndes Mosaik einer bigotten, im Endeffekt aber auch brutalen kleinen Welt vor sich. Dort gilt: Wer von der Norm abweicht, wird an den Rand gedrängt. Ebenso behutsam wie intensiv bringt uns Krawczycki diese düstere Welt in seinem Langfilmdebüt nahe. Nicht nur, aber gerade durch seine eindringliche, am Realismus orientierte Bildsprache und die behutsame Entschlüsselung familiärer Beziehungen.

Ein wichtiges Signal in Polen

Ein wichtiges Signal sendet die polnische Produktion – der man das knappe Budget nicht ansieht – allerdings nach innen. Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen werden in Polen zunehmend angefeindet. Die nationalkonservative Regierung hat großen Anteil an diesem vergifteten Klima, das insbesondere außerhalb der großen Städte den Alltag bestimmt.

Dass ein Film wie „Elefant“ dennoch vom polnischen Filminstitut gefördert wurde, lässt durchaus aufhorchen. So gesehen ist es zu wünschen, dass Krawczyckis auch um die Bedeutung von Solidarität kreisender Film, der zugleich dem intoleranten Teil der Gesellschaft den Spiegel vorhält, maximale Wirkung entfaltet.

Info:
„Elefant“ (Polen 2022), ein Film von Kamil Krawczycki, Kamera: Jakub Sztuk, mit Jan Hrynkiewicz, Pawel Tomaszewski, Ewa Skibinska u.a.,93 Minuten. FSK ab zwölf Jahre.
www.salzgeber.de
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