Diskussionsveranstaltung

Zukunft der Arbeit:„Mehr Mitbestimmung wagen“

Farnaz Nasiriamini08. Juli 2015
In Anlehnung an Michelangelos: Gott erschafft Adam. Was erschafft der Mensch im Zuge der Digitalisierung?
Wie soll die Arbeit der Zukunft aussehen? Was macht den Standort Deutschland so beliebt? Und wie sieht die Zukunft mit der Digitalisierung aus? Mit diesen Fragen beschäftigten sich die Friedrich-Ebert-Stiftung und die IG Metall am Dienstag bei einer Diskussion.

„Welche Rolle nehmen Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmer künftig ein?“, wollte der IG-Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel gleich zu Beginn der Veranstaltung wissen. Das war die zentrale Frage der Veranstaltung „Individuelle Beteiligung und kollektive Mitbestimmung – zwei Seiten einer Medaille“, über die am Dienstag in der Friedrich-Ebert-Stiftung diskutiert wurde. Wetzel sieht die Arbeitswelt in einem „fundamentalen Umbruch“. Die zukünftige Generation wolle flexible Arbeitszeiten, Qualifikations- und Weiterbildungsangebote. „Dass wir vor einer Zeitwende bei der industriellen Produktion stehen, ist also der erste Grund, warum genau jetzt der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist, eine breite Debatte über Demokratie in der Wirtschaft mittels einer klugen Verbindung von individueller Beteiligung und kollektiver Mitbestimmung zu führen.“

Es gebe heute nicht zu viel, sondern zu wenig Mitbestimmung, erklärte Wetzel. Das Mitbestimmungsmodell sei ein Standort- wie ein Wettbewerbsvorteil für Deutschland, weil Beschäftigte ein Verantwortungsgefühl gegenüber ihrem Unternehmen entwickelten. Die soziale Marktwirtschaft sei dazu ein erfolgreiches Wirtschaftsmodell, für das die ganze Welt Deutschland beneide.

„Die DNA der Wirtschaft wird sich verändern“

Wie kann Deutschland aber auch in Zukunft wirtschaftlich erfolgreich bleiben? Dafür  müsse man die Digitalisierung berücksichtigen, erklärte der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Matthias Machnig (SPD). „Wir wissen alle nicht in welche Richtung die Digitalisierung sich entwickelt.“ Und doch weiß Machnig: „Wir werden eine Beschleunigung von Prozessen erleben.“

Die Digitalisierung werde nicht nur die gesamte Arbeitswelt, sondern auch „die DNA der Wirtschaft“ verändern.  In den nächsten Jahren würden sich neue Geschäftsfelder entwickeln, die wir heute noch gar nicht kennen. Schon heute gebe es zahlreiche neue Geschäftsmodelle. Qualifikationen seien schneller überholt.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie habe deshalb das Netzwerk „Zukunft der Industrie“ gegründet, das ein zentrales Instrument der kommenden Jahre sein soll, um Vertreter der Arbeitsgeber sowie der Gewerkschaften zusammenzubringen, damit diese über die Zukunft der Arbeit diskutieren. „Man muss mehr Mitbestimmung wagen“, forderte Machnig für die Arbeitnehmerseite.

Kulturwandel der Mitbestimmung

Gleichzeitig sei aber der Umgang der Arbeitgeber mit Gewerkschaften und Betriebsräten ein großes Problem, kritisierte IG Metall-Chef Wetzel. „Es werden systematisch die Grundlagen unserer Arbeit angegriffen“, schilderte er die Situation. Dabei seien doch Gewerkschaften und Betriebsräte gerade in schwierige Zeiten wichtig. „Beteiligung ist das Schlüsselwort. Wir stehen vor einem Kulturwandel der Mitbestimmung.“ Gerade deshalb müssten sich Gewerkschaften auch für die Interessen der Schwächeren einsetzten und beispielsweise nicht zulassen, dass durch Outscourcing und Leiharbeit Beschäftigte unterschiedlich behandelt würden.

Hierarchien werden immer flacher

Der „neue Kapitalismus“ sei nicht das Ende der kollektiven Mitbestimmung sondern könne ein Neuanfang sein, so Wetzel. Denn der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens sei nur möglich, wenn sich die Beschäftigten mit ihm identifizierten. „86 Prozent der Beschäftigten in Deutschland haben das Gefühl, sie werden zu wenig befragt“, kritisierte Wetzel. Dabei müsse man „Lernerfahrungen“ organisieren, die zeigen, dass man auch wirklich etwas verändern kann, wenn man sich beteiligt, sagte er.

„Der Wunsch, gehört zu werden wie auch mitzubestimmen wächst immer mehr“, erklärt Wetzel auch in seinem gerade erschienen Buch „Beteiligung und Mitbestimmung“. Man solle diese positive Emanzipation der Arbeitnehmer aufnehmen und nutzen. Das sieht Machnig ähnlich. „Die Welt ist flach geworden. Hierarchien werden immer flacher“, schilderte er seine Beobachtung. Man müsse in diesem Zuge die individuelle Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer anerkennen und als ein kluger Arbeitsgeber auch nutzen.