SPD-Generalsekretär im Interview

Womit die Brandenburger SPD im Wahlkampf überzeugen will

Nils Michaelis20. November 2023
David Kolesnyk ist seit dem Jahr 2021 Generalsekretär der SPD Brandenburg.
Ein sattes Wirtschaftswachstum und eine geringe Armutsquote, Brandenburgs Landesregierung hat viel vorzuweisen. Zehn Monate vor der Landtagswahl erklärt SPD-Generalsekretär David Kolesnyk womit seine Partei – auch gegenüber der AfD – punkten will.

In Brandenburg wird 2024 ein neuer Landtag gewählt. Welches Signal soll von dem Landesparteitag am 25. November ausgehen?

Wir bestimmen einen neuen Vorstand für die nächsten zwei Jahre. In diese Periode fallen Kommunal-, Europa- und Landtagswahl im kommenden Jahr und die Bundestagswahl 2025. Wir wollen das Signal setzen, dass wir als SPD das Land gestalten und für Stabilität sorgen, vom sozialen Bereich bis hin zur Inneren Sicherheit. Für all das steht Ministerpräsident Dietmar Woidke. Er ist der Garant für diesen Kurs.

Auf welche Themen wird die SPD im Wahlkampf setzen?

Das Wahlprogramm legen wir auf dem Programmparteitag im April fest. Vorab läuft die inhaltliche Arbeit auf Regionalkonferenzen. Auf dem Landesparteitag wird es darum gehen, eine landespolitische Bilanz zu ziehen. Diese kann sich sehen lassen. Sie beweist, dass die SPD die richtigen Antworten auf die wichtigsten landespolitischen Fragen hat.

Zum Beispiel Bildung: In Kitas und Schulen haben wir das Personal aufgestockt. Innerhalb von zehn Jahren stieg die Zahl der Erzieher*innen von 17.000 auf gut 24.000. Auch die Kitaplätze wurden ordentlich aufgestockt.

Oder auch Mobilität: Beim öffentlichen Nahverkehr geht es in die richtige Richtung: Die Zahl der bestellten Schienenkilometer ist in dieser Wahlperiode um 30 Prozent erhöht worden. Dank der gemeinsamen Bundesratsinitiative von Brandenburg und Berlin haben wir die Planungsbeschleunigung für Schienenverkehrsprojekte auf den Weg gebracht. Davon soll auch der Ausbau der Ostbahn zwischen Berlin und Küstrin an der Grenze zu Polen profitieren, der endlich in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen worden ist.

Zudem spielt die Innere Sicherheit eine Rolle. Wir haben durchgesetzt, dass die Personalstärke der Polizei auf 8.500 Stellen angehoben wird. In der Grenzregion wie im gesamten Land ist die Kriminalität rückläufig. Das ist eine gute Entwicklung. Der Erhalt tragfähiger Polizeistrukturen in der Fläche bleibt ein wichtiges Feld.

Auch das Thema bezahlbares Wohnen treibt viele Menschen um, längst nicht mehr nur im Berliner Umland. Vor allem in den Städten entlang der Bahnstrecken steigen die Mieten. Wir müssen mehr günstigen Wohnraum schaffen.

Hinzu kommt die gute wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Es zahlt sich aus, dass wir in den letzten Jahren dafür gesorgt haben, dass sich viele neue Industriebranchen angesiedelt haben und neue Jobs entstanden sind. Im ersten Halbjahr hatte Brandenburg ein Wirtschaftswachstum von sechs Prozent, das war mehr als in allen anderen Bundesländern. Das haben wir den vielen Tausend zusätzlichen Industriearbeitsplätzen zu verdanken. Nicht nur bei Tesla, sondern auch bei anderen Betrieben, die Teil des neuen Clusters Elektromobilität sind. Die SPD setzt sich dafür ein das Lohngefüge der Beschäftigten weiter verbessern, und zwar auch außerhalb der Industrie.

Auch die Gesundheitsversorgung ist ein wichtiges Thema. Im Zuge der Krankenhausreform wird die SPD dafür sorgen, dass die wohnortnahe Gesundheitsversorgung erhalten bleibt. Brandenburg gibt schon jetzt von allen Bundesländern mit Abstand am meisten pro Kopf für seine Krankenhäuser aus.

In einem Leitantrag wird unter anderem gefordert, Geldleistungen für Asylbewerber*innen künftig über eine Bezahlkarte zu regeln. Welche Rolle werden Fragen zur Migration im Wahlkampf spielen?

Es geht beim Parteitag neben der Bilanz vor allem auch um aktuelle Fragen. Migration und Zuwanderung beschäftigt viele Menschen. Bei der Unterbringung von Geflüchteten kommen etliche Kommunen an ihre Grenzen. Man muss zeigen, dass der Staat handlungsfähig ist. Zuwanderung muss in Deutschland und Europa vernünftig gesteuert werden. Deswegen ist es wichtig, dass die Bundespolizei an der Grenze im Einsatz ist und Gespräche mit Polen und Tschechien über verstärkte Grenzkontrollen geführt werden.

Es ist richtig, Bezahlkarten einzuführen, weil dieses unbürokratische System die Kommunen entlastet. Dieses Verfahren sollte bundesweit gelten. Es erschwert zudem, dass Gelder an Schlepperorganisationen abfließen. Wir brauchen aber auch schnellere Asylverfahren. Ganz zentral ist aber, dass alle, die arbeiten können, es auch dürfen. Wer hier ist und sich seinen Lebensunterhalt selbst verdienen kann, soll das auch tun. Das würde es den Menschen erleichtern, sich zu integrieren und eine Bleibeperspektive zu entwickeln. Und es entlastet unsere Sozialkassen. In Brandenburg gibt es allein 25.000 gemeldete freie Stellen und damit viele Chancen für Integration.

"Die AfD redet Brandenburg schlecht"

Die AfD befindet sich im Umfragehoch. Welche Chancen sehen Sie, den gemäßigten Teil der Anhänger*innen von den Themen der SPD zu überzeugen, also ins demokratische Spektrum „zurückzuholen“?

Ob man sie „zurückholen“ kann, ist wohl die falsche Frage. Zur jeweiligen Wahl gibt es konkrete Personen und Themen, anhand dieser entscheiden die Leute. In Brandenburg hat das bisher ganz gut geklappt. Der parteilose Bürgermeister in Seelow ist mit einer deutlichen Mehrheit von knapp 70 Prozent gegenüber dem AfD-Kandidaten gewählt worden. Gut 31 Prozent für die AfD sind aber immer noch viel zu viel.

Wir müssen klarmachen, dass wir uns um die Themen kümmern, die die Menschen beschäftigen. Es ist gut, dass sich Bund und Länder darauf verständigt haben, im Bereich Migration Maßnahmen zu ergreifen. Und es ist wichtig, dass wir mit den Kommunen eng zusammenarbeiten. Das funktioniert in Brandenburg sehr gut. Dietmar Woidke hat sich unmittelbar nach der jüngsten Ministerpräsidentenkonferenz mit Vertreter*innen der kommunalen Ebene getroffen und ausgetauscht.

Man muss deutlich machen, wofür die AfD steht. Sie will die Meinungsfreiheit einschränken und die Demokratie in wesentlichen Teilen abschaffen. Das ist das Gegenteil von dem, was sich viele von dieser Partei versprechen.

Die AfD redet das Land schlecht und profitiert davon, wenn es den Leuten schlecht geht. Deshalb hat sie gegen das Brandenburg-Paket der Landesregierung geklagt. Dieses war aufgelegt worden, um Vereine, Krankenhäuser und Kommunen in Zeiten hoher Inflation zu unterstützen. Es sorgt dafür, dass 100.000 Kinder keine Kitabeiträge zahlen und die Ticketpreise der Verkehrsbetriebe oder im Schwimmbad zuletzt nur moderat gestiegen sind. Allein 200 Millionen Euro gehen in die Krankenhäuser und sichern damit die medizinische Versorgung in der Fläche. Die AfD klagt dagegen.

Anlässlich der jüngsten Landratswahlen haben Sie einen Schulterschluss gegen die AfD gefordert. Wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis?
Bei der Landratswahl im Kreis Oder-Spree gab es diesen Schulterschluss leider nicht. Einige haben es nicht geschafft die Wahlniederlage der ersten Runde zu überwinden und den Leuten zu sagen, sie mögen den demokratischen Kandidaten wählen. Stattdessen habe sie die Kandidaten von AfD und SPD in einen Topf geworfen und als unwählbar bezeichnet. Und das, obwohl sie wussten, dass das Quatsch ist. So dürfen Demokratinnen und Demokraten nicht miteinander umgehen. Die CDU hat sich weitgehend herausgehalten, auch das war nicht gut.

Fast wäre es dazu gekommen, dass ein Politiker der AfD zum Landrat gewählt wird. Es lag im Wesentlichen an der SPD, dass weiter ein Demokrat Landrat in Oder-Spree ist. Die SPD ist das verlässliche Bollwerk gegen die Demokratiefeinde. Im Landtag funktioniert die Abgrenzung gegenüber der AfD besser. Diese hat dort noch kein einziges ernstzunehmendes inhaltliches Angebot gemacht.

Wer die AfD kleinhalten will, muss SPD wählen. Je stärker die SPD ist, desto leichter ist es, eine stabile Regierung zu bilden. So sichert man auch künftig ein demokratisches und soziales Brandenburg.

"Die SPD steht für ein stabiles Brandenburg"

Sie haben gesagt, die Landesregierung müsse deutlicher zeigen, was in Brandenburg gut läuft. Einige Beispiele hierfür haben sie gerade genannt. Sollte die SPD offensiver für die Erfolge der von ihr geführten Landesregierung werben?

Die Kanäle, über die Menschen Informationen beziehen, sind sehr vielfältig geworden. Regionale und lokale Nachrichten finden kaum noch Verbreitung. Es ist in Brandenburg besonders schwierig, mit landespolitischen Themen zu den Leuten durchzudringen

Im berlinnahen Raum orientieren sich viele Menschen gedanklich nach Berlin. Das lässt sich auch an der Beteiligung bei Kommunalwahlen ablesen. Bei der Landratswahl im Kreis Dahme-Spreewald lag die Wahlbeteiligung in am Berliner Stadtrand gelegenen Schönefeld bei gut 30 Prozent. In der südlich gelegenen Gemeinde Heideblick waren es hingegen rund 60 Prozent. Das hat auch mit der Wahrnehmung von lokalen und regionalen Themen zu tun.

Dennoch müssen wir versuchen, Erfolge, wie etwa ein Wirtschaftswachstum von sechs Prozent oder die bundesweit drittgeringste Armutsquote, in den Köpfen zu platzieren. Wir wollen, dass sich die Bevölkerung nicht erst kurz vor der nächsten Landtagswahl mit den Top-Themen des Landes beschäftigt. Deshalb ist Dietmar Woidke unablässig im Land unterwegs. An seinen Bürgerdialogen haben sich Tausende Menschen beteiligt. Auch die Landtagsfraktion und unsere Bundestagsabgeordneten nehmen viele Vororttermine wahr. Als SPD sind wir gerade mit den Regionalkonferenzen zum Regierungsprogramm vor Ort unterwegs, wo sich einfache Mitglieder und Interessierte mit einbringen.

Im Wahlkampf müssen wir umso mehr bei den Menschen vor Ort sichtbar werden und das Gespräch mit ihnen suchen. Wir müssen deutlich machen, dass es um Brandenburg geht. Um ein Land, dass ihnen und ihren Kindern Perspektiven bietet, auch durch gute Jobs und eine sichere Gesundheitsversorgung vor Ort. All das gibt es mit der SPD. Ein stabiles und sicheres Brandenburg, in dem die Gemeinschaft vor Ort stark ist und zusammenhält. Die AfD will genau das Gegenteil.

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