Bundeskongress in Braunschweig

Welche Inhalte die Jusos am Wochenende beschließen wollen

Jonas Jordan17. November 2023
Am Wochenende kommen die Jusos zu ihrem Bundeskongress in Braunschweig zusammen und wollen dabei zentrale inhaltliche Positionierungen beschließen.
Am Wochenende kommen die Jusos zu ihrem Bundeskongress in Braunschweig zusammen und wollen dabei zentrale inhaltliche Positionierungen beschließen.
Auf dem Juso-Bundeskongress in Braunschweig steht am Wochenende die Wahl eines neuen Vorstands im Fokus. Doch auch inhaltlich haben sich die Jungsozialist*innen einiges vorgenommen, wie die Forderung nach einem Grunderbe zeigt.

Wer eine*r der mehr als 300 Delegierten beim Juso-Bundeskongress am Wochenende in Braunschweig ist, brauchte im Vorfeld vor allem eines: viel Zeit. Denn an diesem Wochenende steht nicht nur die Entscheidung an, wer künftig an der Spitze des sozialistischen Jugendverbandes stehen wird. Dafür kandidieren Philipp Türmer aus Offenbach und Sarah Mohamed aus Bonn, beide bislang stellvertretende Juso-Vorsitzende. Darüber hinaus erwartet die Delegierten ein mit 524 Seiten prall gefülltes Antragsbuch, das neben dem Selbstverständnis des Verbands für die kommenden zwei Jahre auch wesentliche inhaltliche Forderungen beispielsweise mit Blick auf die Europawahl im kommenden Jahr enthält, die nun beschlossen werden sollen.

Jusos: „Es braucht eine Gegenstimme zu rechten Narrativen“

„Es braucht eine starke Gegenstimme zu rechten Narrativen und eine klare Gegenerzählung“, heißt es im Selbstverständnis der Jusos. Durch Bildungsarbeit, Erinnerungs- sowie Gedenkkultur und Mobilisierung des Verbands wollen sie jeder Normalisierung rechtsextremen Gedankenguts widersprechen, auch mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im kommenden Jahr. Laut Selbstverständnis sehen die Jusos sich „in der maßgeblichen Rolle innerhalb der Sozialdemokratie und der gesellschaftlichen Debatte Veränderungen voranzutreiben und Diskursräume zu öffnen, mit dem Ziel, die sozialistische Gesellschaft der Freien und Gleichen zu verwirklichen“.

Mit Blick auf die Europawahl im kommenden Jahr vertreten sie die Meinung: „Mehr denn je braucht es eine junge, linke und progressive Vision für das Europa des 21. Jahrhunderts.“ Auch um Europa nicht denjenigen zu überlassen, „die nationale Egoismen predigen und nach mehr Abschottung rufen“. Deswegen machen die Jusos deutlich: „Wir stehen für ein Europa, das feministisch antirassistisch und anti-kapitalistisch ist.“ Inhaltlich bedeutet das für sie unter anderem die Abschaffung der europäischen Grenzschutzagentur Frontex und die Einrichtung eines europäisch organisierten und finanzierten Seenotrettungssystems.

EU: Abschaffung von Frontex, mehr Geld für Klimaschutz

Zudem sprechen sich die Jusos dafür aus, dass der Zugang zum ersten Hochschulabschluss oder zur Berufsausbildung europaweit kostenfrei und garantiert werden sollte. Jeder junge Mensch solle das Recht haben, eine qualitativ hochwertige Ausbildung zu erhalten und Zugang zu geeigneten Arbeitsplätzen haben. Ebenso fordern die Jusos eine verpflichtende Entlohnung für Praktika. Mindestens 40 Prozent des EU-Budgets sollten ihrer Ansicht nach für den Klimaschutz genutzt, Subventionen für fossile Energieträger abgeschafft und eine europäische CO2-Steuer eingeführt werden.

Die vermutlich radikalste Forderung, die die Jungsozialist*innen am Wochenende beschließen wollen, ist sicherlich jene nach einer grundlegenden Reform der Erbschaftssteuer in Deutschland samt Einführung eines Grunderbes für alle. Demnach soll die Erbschaftssteuer erhöht und alle Ausnahmen für Betriebsvermögen abgeschafft werden. Künftig soll es nach dem jungsozialistischen Erbschaftssteuermodell nur noch einen einzigen persönlichen und universellen Grundfreibetrag von 999.999 Euro geben, der für jede Person lebenslang gelten soll.

Bedingungsloses Grunderbe von 60.000 Euro pro Person

Mit der Reform der Erbschaftssteuer soll zugleich die Einführung eines Grunderbes finanziert werden. Nach Vorstellung der Jusos sollen künftig 60.000 Euro bedingungslos an jede Person ausgezahlt werden, die das 18. Lebensjahr vollendet und ihren Hauptwohnsitz in Deutschland hat. Dies soll für alle Menschen unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus gelten. Das Grunderbe soll nicht zweckgebunden sein, die Auszahlung automatisch und antragslos erfolgen. Den finanziellen Aufwand dafür beziffern die Jusos auf 45 Milliarden Euro pro Jahr. 

Das Grunderbe soll die Ungleichheit innerhalb der Gesellschaft verringen, insbesondere zwischen Ost und West sowie zwischen Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte. „Junge Menschen werden das erhaltene Grunderbe öfter innovativ, investiv oder zum Zwecke der eigenen Ausbildung verwenden und seltener sparen. Dies bedeutet, dass das über das Grunderbe verteilte Vermögen schneller und direkter zur Steigerung gesellschaftlichen Wohlstands eingesetzt werden kann“, so die Vorstellung der Jusos. Insofern sei das Grunderbe „eine massive Investition in junge Menschen“.

Feministische Stadt- und Gemeindeentwicklung

Mit Blick auf die zahlreichen Kommunalwahlen im kommenden Jahr wollen die Jusos auf ihrem Bundeskongress auch ein sogenanntes „Muster-Kommunalprogramm“ beschließen. Darin heißt es: „Feministische Stadt- und Gemeindeentwicklung muss das Leitbild unserer Kommunalpolitik werden.“ Einer der wichtigsten Aspekte feministischer Stadtplanung sollen demnach kurze und sichere Wege sein. Auch soll es gebührenfreie öffentliche Toiletten mit Menstruationsprodukten und flächendeckenden Wickelmöglichkeiten geben.

Teil des Jusos-Kommunalprogramms ist außerdem die Förderung von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, Flächen sollen bevorzugt über Erbpachtverträge vergeben werden. Zudem sollen Städte und Kommen ihr Vorkaufsrecht konsequent nutzen. Darüber hinaus wollen die Jusos Flächenversiegelung auf ein Minimum beschränken, Schwimmbäder fördern und erhalten. Sie lehnen Alkoholverbotszonen ab und sprechen sich für die Installation sogenannter „Dorfautomaten“ aus.

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