Treffen in Berlin

Ukraine, Rechtsruck, Demokratie: Darüber diskutierte der SPE-Kongress

Kai DoeringJonas Jordan15. Oktober 2022
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez beim SPE-Kongress in Berlin.
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez beim SPE-Kongress in Berlin.
Der Krieg in der Ukraine, das Erstarken rechter Parteien in Europa und die Zukunft der Demokratie waren die Themen, die den Kongress der europäischen Sozialdemokrat*innen in Berlin bestimmten. SPD-Chef Lars Klingbeil warb für mehr Zusammenarbeit.

Der inhaltliche Austausch des zweiten Kongresstages beginnt mit einem Gespräch der Regierungschef*innen von Schweden, Spanien, Portugal und Malta. Magdalena Andersson steht in Schweden trotz eines stolzen Ergebnisses von mehr als 30 Prozent bei der jüngsten Parlamentswahl kurz vor der Ablösung an der Regierungsspitze, da sich die dortigen Konservativen auf ein Bündnis mit den rechtsextremen Schwedendemokraten geeinigt haben. Entsprechend warnt Andersson vor der rechten Partei mit „Neonazi-Wurzeln“ und sagt zugleich: „Wir haben Hausaufgaben zu tun.“ Überall im Land gewannen die Schwedendemokraten an Stimmen hinzu. Deswegen sagt Andersson: „Wir müssen lauter sein, um den Menschen zu zeigen, dass wir die richtigen Antworten auf ihre Probleme haben.“

Neben der Herausforderung durch das Erstarken rechter Parteien, die bereits der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil in seiner Rede am Freitag angesprochen hatte, ist erwartungsgemäß auch der russische Angriffskrieg in der Ukraine ein großes Thema in der Runde. „Diese Invasion hat alles verändert. Die gemeinsame europäische Antwort war unglaublich wichtig. Ich bin sehr dankbar dafür, aber wir müssen die Ukraine weiter unterstützen. Denn wir dürfen Russland nicht gewinnen lassen. Das ist eine existenzielle Frage für Europa“, sagt Andersson, unter deren Führung Schweden vor kurzem den Beitritt zur NATO beantragt hatte.

António Costa: „Putin kann diesen Krieg nicht gewinnen.“

Auch der portugiesische Ministerpräsident António Costa macht deutlich: „Putin kann diesen Krieg nicht gewinnen. Wir werden die Ukraine weiter unterstützen, mit humanitären, finanziellen und militärischen Mitteln.“ Zugleich sei es auch wichtig, Staaten in Afrika oder Lateinamerika zu unterstützen, die mit Blick auf die Versorgung mit Nahrungsmitteln unter dem Krieg leiden. Aus Costas Sicht ist die aktuelle Situation auch ein Weckruf, die Energiewende zu beschleunigen, um unabhängig von russischen Importen zu werden. „Wind, Wasser und Sonne sind die Zukunft, wenn wir die Energiewende erfolgreich gestalten wollen“, sagt der portugiesische Regierungschef.

Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez weist darauf hin, dass sein Land mehr als 100.000 Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen habe. „Es ist ziemlich klar, wer der Aggressor ist und wer unter der Aggression leidet. Wir stehen an der Seite derjenigen, die darunter leiden.“ Zugleich sei es wichtig, ein Signal an die russische Bevölkerung zu senden: „Wir haben nichts gegen die russische Bevölkerung, aber gegen die russische Regierung.“ Wichtig sei zudem diejenigen Unternehmen zu besteuern, die von diesem Krieg profitierten. Spanien habe durch seine Übergewinnsteuer bereits circa 2,8 Milliarden Euro eingenommen. Wichtig sei jedoch auch eine europäische Lösung. Zudem fordert Sánchez: „Es ist wichtig, den Markt zu reformieren und den Gaspreis vom Strompreis zu entkoppeln.“

Maltas Premier: Mehr über Frieden in der Ukraine sprechen

Robert Abela ist seit 2020 Ministerpräsident von Malta. Die Parlamentswahl im März dieses Jahres gewann er mit dem Rekordergebnis von 55,1 Prozent für seine Partei. Das habe aus seiner Sicht auch mit den Reformen zu tun, die seine Regierung nach dem Mord an der Journalistin Daphne Caruana Galizia unternommen habe, unter anderem sei der Kampf gegen Korruption gestärkt worden. Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine sagt Abela: „Es gibt keinen Zweifel, dass wir die Ukraine unterstützen müssen, aber wir brauchen auch Gespräche über den Frieden. Wir wollen Russland definitiv nicht diesen Krieg gewinnen lassen, aber wir werden diesen Krieg nicht beenden können, wenn wir nicht über den Frieden sprechen.“

Auch im Panel „A New European Momentum“ geht es um den Krieg in der Ukraine. „Wir dürfen nicht nachlassen, die Ukraine zu unterstützen“, fordert etwa der EU-Außenbeauftragte Josep Borell. „Das ist auch in unserem eigenen Interesse.“ Putins Angriff auf die Ukraine sei auch ein Angriff auf die europäische Werte. Die allerdings sind nicht nur von außen bedroht, sondern auch von innen. „Europa wird es niemals à la carte geben“, sagt der – inzwischen zurückgetretene – Vorsitzende des intalienischen PD, Enrico Letta. Es dürfe nicht sein, dass sich manche Staaten nur die Rosinen herauspickten. „Das wäre der Tod Europas“, warnt Letta und wirbt dafür Entscheidungen künftig nicht mehr einstimmig, sondern mit qualifizierter Mehrheit zu treffen, sodass einzelne Staaten sie nicht mehr blockieren könnten.

Klingbeil: Müssen uns stärker vernetzen

Dafür wirbt auch SPD-Chef Lars Klingbeil. Die EU müsse ein gemeinsames Budget für die Außen- und die Verteidigungspolitik auflegen, fordert Klingbeil. „Wir müssen zu einem Global Player werden.“ Um der EU mehr Gewicht zu geben, wirbt Klingbeil auch für eine weitere Erweiterung, etwa um Moldau, die Staaten des westlichen Balkans und die Ukraine. „Wir müssen geopolitischer Handeln“, sagt Klingbeil. Eine stärkere Vernetzung von Europas Sozialdemokrat*innen helfe zudem, rechten Kräften etwas entgegenzusetzen. „Die Rechten sind global gut vernetzt. Wir müssen und verbinden und international stärker werden“, sagt Klingbeil.

Ein entscheidendes Thema könnte in den kommenden Monaten und Jahren die Migration werden, sagt schließlich EU-Innenkommissarin Ylva Johansson in der Runde. In der Flüchtlingskrise 2015 sei Europa gespalten gewesen. „Das darf uns nie wieder passieren.“ Migration könne nur dann gesteuert werden, wenn sie gemeinsam gestaltet werde. „Mein Ziel ist es, dass Migration wie jedes andere politische Thema behandelt wird“, sagt Johansson. Verschwinden werde es nämlich in keinem Fall. „Migration ist normal und es wird sie immer geben.“

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Kommentare

Frieden!

Lediglich Maltas Premier wies im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise darauf hin, „ ..., aber wir brauchen auch Gespräche über den Frieden“. (Das könnte wegen der Berichterstattung nur so scheinen.)

Was ist aus der SPD geworden?

Keine falschen Schlüsse

Nur weil Robert Abela diesen Punkt so explizit gemacht hat, würde ich daraus nicht schließen wollen, dass er allen anderen nicht wichtig wäre. Im Gegenteil. Zumal wir natürlich mit diesem Artikel nicht sämtliche Äußerungen des Kongresses abbilden können.