Bürgerschaftswahlen

Wie die SPD Lübeck einen Wahlkampf-Hit landete

Paul Starzmann03. Mai 2018
Lars Schalnat SPD Lübeck
Der SPD-Lokalpolitiker Lars Schalnat in seiner Wohnung: „Wählst du schon oder überlegst du noch?"
Am Sonntag wählt Lübeck eine neues Stadtparlament. Die SPD hat sich für den Kommunalwahlkampf etwas Besonderes einfallen lassen – und ist damit über die Stadtgrenzen hinaus zum Gesprächsthema geworden.

Es ist der Klassiker im Kommunalwahlkampf: der Stand in der Fußgängerzone. Dort versuchen Kandidaten und ihre Unterstützer mit den Wählern ins Gespräch zu kommen. Sie verteilen Werbegeschenke, Broschüren und Postkarten. Vieles davon landet jedoch oft im nächsten Mülleimer – wenn die Passanten das Wahlkampfmaterial nicht einfach achtlos auf den Boden werfen. Ganz schön frustrierend kann das sein – vor allem für Lokalpolitiker, die ihr Bestes geben, um die Menschen im persönlichen Gespräch zu überzeugen.

„Wählst du schon oder überlegst du noch?“

Einer von ihnen ist der Lübecker Student Lars Schalnat. Er ist Juso und Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Vorwerk-Brolingplatz im Lübecker Nordwesten. Dort kandidiert er bei der Bürgerschaftswahl am 6. Mai als Direktkandidat. Er weiß, wie mühsam so ein Wahlkampf sein kann. Deswegen wollten er und seine Genossen in diesem Jahr mal etwas anders machen als sonst.

Anstatt die üblichen Broschüren und Flyer zu verteilen, haben sie einen ganzen Katalog mit ihren politischen Forderungen drucken lassen. Das Besondere daran: Das Hochglanzheft sieht gar nicht nach SPD aus – sondern ist dem Werbekatalog der Möbelfirma „Ikea“ zum Verwechseln ähnlich. Statt dem Firmenschriftzug steht allerdings groß „Lübeck“ auf dem Cover, unten im rechten Eck findet sich das SPD-Logo. In dem Heft stellen sich die Kandidatinnen und Kandidaten vor – und sitzen dabei wie in der „Ikea“-Werbung in ihren Wohnungen. Selbst der Werbespruch ist an den Slogan des dem schwedischen Möbelhauses angelehnt: „Wählst du schon oder überlegst du noch?“

Mehr Personal für Kindergärten

SPD Lübeck Kandidatin I
Die SPD-Kandidatin Kristin Blankenburg.

Die Kandidatin Kristin Blankenburg hat es sich in grauen Socken und einer schwarzen Leggins auf einer großen Couch bequem gemacht – so präsentiert sie sich den Wählern. Statt der Produktbeschreibung, wie sie im „Ikea“-Katalog üblich ist, findet sich neben ihrem Bild ein Teil des Wahlprogramms der Lübecker Sozialdemokraten. „Wir wollen dafür sorgen, dass in den Kindertagesstätten mehr Personal eingestellt und die Schließzeiten in Abstimmung mit allen Trägern reduziert werden“, heißt es. „Mit der Reduzierung der Schließzeiten kommen wir Eltern entgegen, die Urlaub zur Überbrückung der urlaubsfreien Zeit nehmen müssen.“

Aydin Candan
Der Kandidat Aydın Candan

Einige Seiten weiter sitzt der Kandidat Aydın Candan in seiner Küche. In den Händen hält er eine vorwärts-Ausgabe, neben ihm steht ein Gläschen mit schwarzem Tee auf dem Tisch. Am Bildrand listet die SPD Lübeck verschiedene Forderungen auf. „Wir wollen kostenfreien Strandzugang für Lübecker*innen“, ist zu lesen. Oder: „Wir wollen eine Beschäftigungsgesellschaft für langfristig Arbeitssuchende, um für sie Zugangsmöglichkeiten zum Arbeitsmarkt zu schaffen.“

Einblick in die Studentenbude

Auch Lars Schalnat hat sich für den Katalog ablichten lassen. Er liegt auf einem kleinen, dunkelgrauen Sofa – statt der Zimmerdecke ist über ihm die Unterseite eines Hochbetts zu sehen. Die Wohnung ist eindeutig eine Studentenbude, ein paar Flaschen Alkohol am rechten Bildrand, hinter Schalnat ein paar Bücher auf einer Ablage. Neben dem Foto des Kandidaten stellt die SPD ihre Ideen für eine bessere Bildungspolitik vor: „Wir wollen den Ausbau und die weitere Entwicklung der Lübecker Hochschulen und Forschungseinrichtungen unterstützen.“

Das Konzept des „SPD-Möbelkatalogs“ sei eindeutig aufgegangen, freut sich Schalnat – auch wenn sich „Ikea“ nicht gerade begeistert zeigt von der Idee. 12.000 Stück habe die SPD drucken lassen, die Nachfrage sei recht groß. Verteilt werden die Hefte an der Haustür oder auf der Straße, auch lassen sie sich per Postkarte bestellen. Selbst in der Kneipe habe er immer ein paar Exemplare dabei, erzählt Schalnat. „Man kommt damit automatisch ins Gespräch“, sagt er über die Verteilaktionen in Lübecker Gaststätten. Mit herkömmlichen Wahlkampfbroschüren würde er sich hingegen nicht so gerne unter Partygäste und Ausgehkundschaft mischen, betont er. „Da würden die Leute wahrscheinlich sagen: Geh‘ mir weg mit Politik!“ Der „Ikea“-Katalog der SPD stoße hingegen überall auf Interesse.

Vorbild „Podemos“

Mehr können sich Wahlkämpfer kaum wünschen für ihre Kampagne. Schon das spanische Linksbündnis „Podemos“ hat mit der gleichen Idee im Wahlkampf 2016 für Aufmerksamkeit gesorgt. Daran knüpfen nun die Genossinnen und Genossen der SPD Lübeck an. Mit ihrem Wahlkampf sind sie zum Stadtgespräch geworden, selbst überregionale Medien haben bereits berichtet. Lars Schalnat freut das. Das Ziel sei erreicht, sagt er: „Die Leute reden darüber.“

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Kommentare

Kommunales

Auch Ihr also. Vom Vorwärts. Stadtparlament? Wo habt ihr sowas in Deutschlannd gefunden? In irgendeiner Kommunalverfassung? Nein, in den gedruckten Blättern der eher unteren Kategorie. Weil es die doofen Leser anders nicht verstehen. Angeblich. Dabei ist ein Stadtrat es genau das, für was sich Kämpfen lohnt. Bürger verwalten sich selbst, machen keine Gesetze und sind nicht Hierarchie sondern Gleiche unter Gleichen mit ehrenamtlichem Auftrag. Warum sagen wir das nicht offensiv. Wähler sind nicht blöd. Daran sollten wir immer denken.

das Wahlergebnis

bestätigt jedes Ihrer Worte

Hat nichts genützt

Die Wahl ist vorbei. SPD liegt weit hinter der CDU zurück. Es zählen Inhalte. Leider hat die SPD die Erneuerung nicht im Griff und kann daher auch nicht punkten. Die Wähler sind nicht dumm. Es reicht eben nicht mehr, nur zu reden. Anpacken wäre die bessere Wahl.

Sorry - hatte mich verlesen

Herzlichen Glückwunsch - Lübeck bleibt rot. Aktion junger Leute hat anscheinend gewirkt...Meinen ersten Kommentar bitte überlesen..., da verlesen.

wenn immer so gesiegt wird wie in Lübeck

-SPD minus 6,2%- aber: CDU minus 7.3 %, dann ist es wohl besser, nicht mehr zu siegen- denn irgendwohin sind ja die Prozente gegangen- Der reine Vergleich mit der CDU ist tröstlich, verdeckt die Misere aber doch nur im Ausmaß eines Feigenblatts