Gleichstellung

Was die SPD-Fraktion für Menschen mit Behinderung plant

Daniela SepehriVera Rosigkeit05. Oktober 2022
Takis Mehmet Ali
Takis Mehmet Ali ist seit 2021 Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion und seit Februar 2022 Beauftragter für die Belange von Menschen mit Behinderungen
Eine höhere Ausgleichsabgabe, mehr Rechte und ein „weg vom institutionellen Denken“: Der SPD-Abgeordnete Takis Mehmet Ali erklärt, wie Menschen mit Behinderung selbstständiger leben können und was im Koalitionsvertrag steht.

Auf seiner Sommerpause ist er durch alle 16 Bundesländer gereist und hat Zusammenschlüsse der Freien Wohlfahrtspflege besucht. Takis Mehmet Ali, seit Februar Beauftragter für die Belange von Menschen mit Behinderung der SPD-Bundestagsfraktion, wollte wissen, wie die Umsetzung des 2016 verabschiedeten Bundesteilhabegesetzes läuft. Damit soll die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung grundsätzlich verbessert werden, „das heißt nicht nur am Arbeitsplatz, sondern beispielsweise auch in der Gesundheitsversorgung oder beim Wohnen“, erklärt er im Instagram-Live-Gespräch mit dem „vorwärts“. Das Ergebnis war ernüchternd, „es läuft nicht so rund, wie man es sich wünscht“, sagt er. Es habe sich bestätigt, dass es tatsächlich eine Evaluation zur Umsetzung brauche, so wie es im Koalitionsvertrag beschlossen worden ist.

Menschen mit Behinderungen brauchen mehr Recht auf Teilhabe in der Gesellschaft, um selbständiger leben zu können, betont Takis Mehmet Ali. Für ihn bedeutet das ein „weg vom institutionellen Denken“, das Menschen mit Behinderungen oftmals in Werkstätten und Wohnheimen verortet. So werden beispielsweise in Baden-Württemberg immer noch Wohnheime mit 24-Stunden-Betreuung gefördert, für Mehmet Ali eine Wohnform die „völlig old school“ ist, weil viele Menschen selbstständiger wohnen könnten, z.B. in kleineren Gruppen oder größeren WGs. Besonders betroffen seien die Schwerst- und Mehrfachbehinderten, weil sie nicht immer ausdrücken können, wo sie ihre Bedarfe haben. Gerade diese Menschen gelte es zu stärken, „ein großes Thema“, betont der 31-Jährige.

Ausgleichsabgabe muss teurer werden

Ebenfalls ein großes Thema sei die Ausgleichsabgabe, die jedes Unternehmen zahlen muss, wenn es keinen Menschen mit Schwerbehinderung einstellt. „Wir stellen fest, dass sich viele Unternehmen, weil die Ausgleichsabgabe so günstig ist, quasi freikaufen“, kritisiert er. Mit der Einführung einer vierten Stufe der Ausgleichsabgabe soll es künftig für die Arbeitgeber*innen teurer werden, die keine Menschen mit Behinderungen einstellen. „Wir brauchen das Geld, um damit Projekte zu fördern, die wiederum dazu beitragen, Menschen mit Behinderungen in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.“

Weiteres wichtiges Thema für Mehmet Ali: das Voranbringen des Bundesprogramms Barrierefreiheit. Dabei sieht er jedes Ministerium in der Verantwortung, alle müssten ihren Beitrag leisten, von der barrierefreien Gesundheitsvorsorge über mehr Mobilitätsfreiheit bis hin zur Barrierefreiheit in den Wohnungen. „Da müssen wir viel Geld investieren und die Fraktionen überzeugen“, weiß der Abgeordnete aus Badenweiler. Ein weiter Weg. Zügiger werde man an die Umsetzungsevalutation und die Ausgleichsabgabe rangehen. Bei der Ausgleichsabgabe hofft er auf einen Kabinettsbeschluss noch in diesem Jahr. Dabei sei es für ihn wichtig, dass klarer definiert werde, wofür die Mittel vorgesehen sind und wünscht sich einen engen Interpretationsspielraum, um „Zweckentfremdung zu vermeiden“.

Nicht zuletzt wünscht sich Mehmet Ali aber vor allem eines: die Barrieren in den Köpfen der Menschen abzubauen. Die Stigmatisierungen von Menschen mit Behinderungen lässt sich nicht mit einem Gesetz verändern, „es ist eine gesellschaftspolitishce Aufgabe“.

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