EU-Leitlinien beschlossen

Netzneutralität - so bleibt das Internet für alle offen

Christian Rath31. August 2016
Online-Wahlen sind international gefragt
Demokratie im Internet: Online-Wahlen sind international gefragt – in Frankreich, Großbritannien oder den USA gibt es bereits entsprechende Projekte.
Ob großer Konzern oder innovativer Neuling - alle sollen gleichen Zugang zum Internet haben. Dafür steht Netzneutralität. In der EU scheint sie vorläufig gesichert.

Die Netzneutralität in der EU scheint vorläufig gesichert. Selbst kritische Internet-Aktivisten wie Markus Beckedahl von netzpolitik.org sind zufrieden. „Das ist ein guter Tag für das offene Netz“, erklärte er, nachdem am Dienstag die Leitlinien für Netzneutralität des EU-Gremiums BEREC vorgestellt wurden.

Schon im November 2015 hatte die EU eine Verordnung beschlossen, die die Netzneutralität garantierte. „Anbieter von Internetzugangsdiensten behandeln den gesamten Verkehr bei der Erbringung von Internetzugangsdiensten gleich“, hieß es dort. Diese Verordnung ist in der ganzen EU unmittelbar geltendes Recht.

Netzneutralität: Keine Vorteile für große Konzerne

Die Netzneutralität soll verhindern, dass sich große Medien- und Netzkonzerne im Netz Vorteile verschaffen. Innovative Neulinge sollen stets den gleichen Zugang zum Internet haben wie die bereits etablierten Unternehmen. Umgekehrt sollen Internet-Nutzer alle Angebote im Netz mit gleicher Zuverlässigkeit erreichen können.

Die EU-Verordnung ließ aber Fragen offen. Was gilt zum Beispiel, wenn ein Internet-Provider anbietet, dass der Datenstrom eines bestimmten Musikstreaming-Diensts nicht auf das vertragliche Datenvolumen von zum Beispiel fünf Gigabyte angerechnet wird? Ist dieses „zero-rating“ des Musikdienstes zulässig oder eine Diskriminierung anderer Dienste?

Mit solchen praktischen Fragen müssen sich die nationalen Regulierungsbehörden befassen, in Deutschland die Bundesnetzagentur. Um ein einheitliches Vorgehen zu gewährleisten, haben die 28 Behörden (zusammen BEREC genannt, Body of European Regulators for Electronic Communication) gemeinsame Leitlinien erarbeitet. Ein erster Entwurf wurde im Juni veröffentlicht, anschließend gab es „Konsultationen“ mit den betroffenen Firmen und der Netz-Community. Am Dienstag stellte BEREC die endgültigen Leitlinien vor, an die sich die zuständigen nationalen Behörden halten wollen.

Ausnahmen nur eingeschränkt möglich

Laut Leitlinie ist Zero-Rating zum Beispiel dann zu verbieten, wenn nach Erreichen der Volumengrenze ein bestimmter Streaming-Dienst weiter mit voller Leistung gestreamt wird, während alle anderen Internet-Angebote blockiert sind oder gedrosselt werden. Zulässig bleibt Zero-Rating aber dann, wenn es für alle Musik-Streaming-Dienste gleichermaßen gilt. Denn dann werde der Kunde nicht bevormundet, einen bestimmten Musikdienst zu wählen.

Umstritten war auch der Umgang mit „spezialisierten Angeboten“, die absolut verlässlichen Datenfluss erfordern, etwa eine video-gesteuerte chirurgische Fern-Operation. Die Provider dürfen auch solche Spezialdienste anbieten, wenn ihre Netzkapazität so leistungsfähig ist, dass normale Internetanschlüsse nicht beeinträchtigt werden oder zurückstehen müssen. Laut Berec-Leitlinien sollen allerdings in Mobilfunknetzen kurzzeitige Probleme toleriert werden, weil hier die Nutzung einzelner Zellen weniger vorhersehbar sei als der Betrieb im Festnetz.

Die BEREC-Leitlinien sollen das Verhalten der Regulierungsbehörden steuern. Sie sind nicht rechtlich verbindlich. Im Streitfall müsste der Europäische Gerichtshof in Luxemburg über die Auslegung der EU-Verordnung entscheiden.

weiterführender Artikel