Leitantrag für den Parteitag

Warum eine gerechte Erbschaftsteuer für die Demokratie wichtig ist

Julia Jirmann01. Dezember 2023
Deutschland versteht sich zwar als Leistungsgesellschaft, ist mittlerweile aber vielmehr eine Erbengesellschaft. Eine gerechte Erbschaftssteuer ist deshalb essenziell für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Deutschland versteht sich zwar als Leistungsgesellschaft, ist mittlerweile aber vielmehr eine Erbengesellschaft. Eine gerechte Erbschaftsteuer ist deshalb essenziell für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Mit Blick auf das Haushaltsloch und die hohe Vermögensungleichheit in Deutschland ist eine Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer dringend geboten. Bleibt sie aus, wird das zu einer Gefahr für die Gesellschaft.  

Zukunftsinvestitionen von 100 Milliarden Euro pro Jahr, finanziert durch eine Lockerung der Schuldenbremse und höhere Steuern für Superreiche. Letzteres soll insbesondere durch eine Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer erreicht werden, denn die sei weder effizient noch gerecht. So steht es im Leitantrag des SPD-Vorstands für den Bundesparteitag in der kommenden Woche.

Damit setzt die SPD für den kommenden Wahlkampf ein drängendes Problem auf die Agenda. Obgleich damit kaum Wählerstimmen zu gewinnen sind. Denn wenige Themen im Steuerrecht emotionalisieren so, wie die Besteuerung von Erbschaften. Und dabei sind nicht etwa die wenigen Erben uneins mit den vielen Nicht-Erben. Vielmehr sorgen Steuermythen und fehelendes Wissen dafür, dass auch Menschen, die zeitlebens keine Chance auf ein steuerpflichtiges Vermögen haben, ein Störgefühl bei der Forderungen nach einer Reform der Steuer entwickeln.

Das Steuersystem als Treiber für Ungleichheit

Genau aus diesem Grund sind nüchterne Fakten umso wichtiger. Zunächst also das Problem: Die Vermögensungleichheit ist in Deutschland im internationalen Vergleich besonders hoch. Ein Treiber der Ungleichheit ist dabei das Steuersystem. Während etwa niedrige und mittlere Arbeitseinkommen hierzulande im internationalen Vergleich sehr hoch mit Steuern und Abgaben belastet werden, werden Großerben und Reichbeschenkte umfangreich verschont.

Dabei setzt sich durch (kaum besteuerte) Erbschaften und Schenkungen die Ungleichheit über Generationen hinweg fort. Derzeit werden in Deutschland jährlich schätzungsweise 300 bis 400 Milliarden Euro vererbt und verschenkt. Die reichsten zehn Prozent der Gesellschaft erhalten dabei etwa die Hälfte des gesamten Vermögens, während der ärmere Teil der Bevölkerung leer ausgeht.

Deutschland ist eine Erbengesellschaft

Deutschland versteht sich zwar als Leistungsgesellschaft, ist mittlerweile aber vielmehr eine Erbengesellschaft. Mehr als die Hälfte des Vermögens wurde bereits nicht mehr zu Lebzeiten erwirtschaftet, sondern im Wege von Erbschaft und Schenkung erworben – Tendenz steigend.

Aktuell mahnen bereits Wirtschaftsorganisationen, wie die OECD und der Internationale Währungsfonds, Deutschland vor einer Gefährdung des sozialen Zusammenhalts durch die wachsende soziale Ungleichheit. Explizit empfehlen die Ökonom*innen höhere Steuern auf leistungslose Schenkungen und Erbschaften empfohlen.

Der extremen Ungleichverteilung etwas entgegensetzen

Eine effiziente Steuer auf geschenkte und geerbte Vermögen könnte der extremen Ungleichverteilung unmittelbar etwas entgegensetzen. Außerdem auch mittelbar, indem die Einnahmen aus der Steuer in öffentliche Bildung investiert werden, wie es der SPD-Antrag vorsieht.

Dafür ist das aktuelle Steueraufkommen jedoch zu gering: Im Jahr 2022 lagen die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer bei gerade einmal rund 9 Milliarden Euro (im Vergleich: bei der Tabaksteuer waren es mehr als 14 Milliarden Euro; bei der Lohnsteuer rund 230 Milliarden Euro). Der durchschnittliche effektive Steuersatz auf das gesamte Erb- und Schenkungsvermögen lag somit bei gerade einmal 2,3 bis 3 Prozent.

Vor allem Männer aus Westdeutschland profitieren

Dass die Steuer aktuell allerdings weder effektiv noch gerecht ist und das Umverteilungspotential nicht nutzt, hat nicht nur mit dem niedrigen Steueraufkommen zu tun, sondern vor allem mit der Regressivität der Steuer. Aufgrund weitreichender Steuerprivilegien und Gestaltungsmöglichkeiten für superreiche Firmenerben werden große Vermögen in Deutschland niedriger besteuert als kleinere steuerpflichtige Erbschaften.

Die Begünstigung von Firmenerben ist dabei laut Subventionsbericht der Bundesregierung die größte Steuersubvention. Und die landet überwiegend bei Männern und zu 99 Prozent in Westdeutschland. Zudem ist die pauschale Subventionierung von Firmenerben gegenüber innovativen Nicht-Erben eine Bevorzugung die Gefahren für Wirtschaft und die Innovationskraft birgt.

Für die SPD fängt die Arbeit erst an

Vor allem aber sind die Steuerprivilegien ein Gerechtigkeitsproblem und damit eine Gefahr für die Demokratie. Deshalb könnte es für eine Reform im kommenden Jahr auch Rückendeckung vom Bundesverfassungsgericht geben. Das Gericht prüft aktuell zum weiderholten Male die Steuerausnahmen auf ihre Verfassungsmäßigkeit. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass zum dritten Mal ein Auftrag aus Karlsruhe kommt, die weitrechenden Privilegien für Unternehmenserben zu beschränken.

Und dann braucht es eine informierte und engagierte Debatte in der breiten Öffentlichkeit. Zudem darf der Gesetzgeber, anders als bei den vorangegangenen Reformen – zuletzt im Jahr 2016 – nicht vor der Lobby der Superreichen einknicken und erneut ein ungerechtes Gesetz vorlegen. Für die SPD fängt die Arbeit nach ihrem Parteitag also erst an.

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Kommentare

wunderbar, dranbleiben an dem Thema- erben sollte

grundsätzlich nur der Staat, also Immobilien und Firmenbesitz, Kapital, Kunstwerke und ähnliches. Familiäre Andenken, der hausrat- soweit Gebrauchsgut, das kann in der Familie verbleiben oder vom Erblasser verteilt werden. dafür gibt es dann ein jährliches Grunderbe für alle Einwohner, die dann den Wirtschaftskreislauf ankurbeln und sich selbst zu einem Erblasser (später) entwickeln können. So läuft das Geld um und sammelt sich nicht in einigen wenigen Senken, wie das Wasser nach einem Regen. Die Jusos denken in diese Richtung- ich bin dabei