Globale Sicherheit

Was der Ausstieg der USA aus dem INF-Vertrag für Deutschland bedeutet

Xanthe Hall01. Februar 2019
Aktion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW) in Berlin: Die Bundesregierung muss eine neue auf Völkerrecht basierte Abrüstungspolitik einleiten.
Die USA werden aus dem INF-Vertrag aussteigen. Ein neues globales Wettrüsten dürfte nun die Folge sein, meint Xanthe Hall von ICAN Deutschland. Sie fordert: Die Bundesregierung muss eine neue Abrüstungspolitik einleiten.

Sigmar Gabriel hat mir aus der Seele gesprochen als er sagte „Wir spielen mit Feuer, statt das Feuer zu löschen“. Der bevorstehende Austritt der USA aus dem INF-Vertrag hat weitreichende Konsequenzen, vor allem für Europas Sicherheit. Aber es gibt eine weitere Auswirkung: Das Ende des Vertrages wird die Spannungen innerhalb der NATO weiter erhöhen; es könnte sogar zu einer Spaltung kommen. Auch wenn Generalsekretär Jens Stoltenberg versichert, dass die NATO sich über Russlands Vertragsbruch einig sei, heißt das noch lange nicht, dass sich die NATO-Staaten auch über die Auflösung des INF-Vertrags übereinstimmen.

Atomwaffen für Deutschland

Heiko Maas fordert auch zu Recht mehr Abrüstung und will dazu eine Konferenz einberufen. Er hat deutlich gemacht, dass er eine Stationierung von Mittelstreckenwaffen in Deutschland ablehnt. Was wird aber in einem halben Jahr passieren, wenn der Vertrag nicht mehr existiert? Der Druck von den USA auf die Bündnispartner ist vorprogrammiert: Dann wird wie 1979 erwartet, dass die NATO beschließt, neue Atomwaffen in Europa zu stationieren. Wo wird Deutschland dann stehen?

Schon jetzt geht die Aufrüstung unter der Trump-Administration ungezügelt weiter: Die Medien berichten über einen neuen Atomsprengkopf mit niedriger Sprengkraft (5-7 Kilotonnen), dessen Entwicklung Präsident Trump bereits in seiner Atomwaffendoktrin angekündigt hat. Demnächst geht die B61-12-Atombombe in Produktion, die bald in Deutschland stationiert werden soll. Dafür soll Deutschland auch den F35-Kampfjet kaufen, denn die alten Tornados laufen aus und sind ohnehin nicht in der Lage, die neuen angeblich superpräzisen „Smart“-Bomben digital zu steuern.

Deutschland muss klare Kante zeigen

Aber erst nach dem Ablauf des INF-Vertrages wird das Wettrüsten sich im vollen Maß entwickeln. Deswegen muss Deutschland in den nächsten sechs Monaten klare Kante zeigen: Wir dürfen nicht zum Spielball von Russland und den USA werden, nur weil die beiden Atommächte es nicht geschafft haben, China in den INF-Vertrag einzubinden. Sie waren zu beschäftigt mit der Modernisierung ihrer Atomstreitkräfte, um sich um Rüstungskontrolle zu kümmern. Stattdessen wurde das Feld für Trumps nationalen Sicherheitsberater John Bolton geräumt, der seine Strategie Schritt für Schritt umsetzt, die er bereits 2011 im Wall Street Journal angekündigt hat – lange vor jeglicher Vertragsverletzung durch Russland.

Denn es geht hier um den „Prompt Global Strike“: eine Strategie, die schon unter Präsident George W. Bush entwickelt wurde, und die sichern stellen soll, dass die USA überall in der Welt binnen Minuten militärisch reagieren können. Dafür brauchen die US-Streitkräfte Mittelstreckenwaffen. Schon jetzt entwickeln die USA beispielsweise Artilleriewaffen mit einer Reichweite von mehr als 1.600 Kilometer, erklärte US-Armeesekretär Mark Esper letzte Woche, und nennen diese eine „Supergun“. Und Russland versucht mitzuhalten, weil er auf Parität besteht, egal was es kostet.

Zurück zur Entspannungspolitik

Die Bundesregierung muss eine neue auf Völkerrecht basierte Abrüstungspolitik einleiten und zu den Grundsätzen der Entspannungspolitik zurückkehren. Hilfreich wäre zumindest eine Anerkennung der Notwendigkeit eines Atomwaffenverbots und ein Bekenntnis, sich für diesen Vertrag einzusetzen. Die SPD sollte ihrem Koalitionspartner deutlich machen, dass das Feuer nur von der NATO selbst zu löschen ist. Denn sonst könnte es zu spät sein.

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Kommentare

Abrüstung jetzt

Da mein Vertrauen in "unsere" Medien etwas angekratzt ist kann ich bedauerlicherweise icht objektiv entscheiden wer in diesem Raketenstreit Recht hat und wer nicht. Daß der deutsche Außenminister Maas atlantische Politik statt Diplomatie macht kann ich nur bedauern. Auch die einseitge zuweisung an einen Trump und einen Bolten kann ich nicht nachvollziehen, weil in Sachen Rüstung auch diese US Politiker voll und ganz auf der Linie Obama-Clinton liegen.
Deutsche Außenpolitik sollte so gestaltet sein, daß ALLE Atomwaffen aus Europa verschwinden - ich meine das Europa wie es der Geograph Strahlenberg definiert hat und nich das zum NATO Anhängsel verkommene EU-"Europa".
ABRÜSTUNG JETZT UND SOFORT !!!

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Abschreckung ist nur nutzloses Kopfkino!

Es ist möglich, dass außerhalb des INF-Vertrages, ein Wettrüsten schon begonnen hat: China, Nordkorea, Pakistan um nur einige zu nennen. Das Russland [RU] als INF Vertragspartner angesichts seiner südöstlichen Hemisphären und dem wachsenden Rüstungsmarkt eigene Kontinentalraketen präsentiert, ist niederschmetternd. Dass die USA und RU ihren Vertrag nun nacheinander suspendieren, ist binnenpolitisch unnötig und kein wirkliches Zeichen an die anderen Staaten, an einem solchen Vertrag multilateral zu arbeiten. Den Multilateralismus hat die USA derzeit ohnehin schon abgewählt.

Was soll Europa tun? Von beiden Seiten Raketensysteme kaufen, um den "himmlischen Frieden" wiederherzustellen?

Das Europa eine mehr oder weniger konfliktfreie Zone ist, ist auch der Tatsache geschuldet, dass es mehr oder weniger eine atomwaffenfreie Zone ist. Das ist ein hohes Gut, das Deutschland motivieren muss, innerhalb der EU und dem UN Sicherheitsrat multilateral die Entspannungspolitik nach dem Motto 'Entspannung gegen Wohlstand' weiter fortzuführen. Die EU braucht keine Schutzmacht mehr und soll sich seiner pazifistischen Wurzeln besinnen. Japan und Deutschland können hier gemeinsam voranschreiten.