Zusammenarbeit von CDU und AfD

SPD-Klingbeil: Abstimmung in Thüringen ist „tektonische Verschiebung“

Vera Rosigkeit18. September 2023
SPD-Chef Lars Klingbeil und Bayerns SPD-Spitzenkandidat Florian von Brunn
Gemeinsame Pressekonferenz: SPD-Chef Lars Klingbeil und Bayerns SPD-Spitzenkandidat Florian von Brunn
Von der gemeinsamen Abstimmung von CDU und AfD im thüringischen Landtag sei er persönlich geschockt gewesen, erklärt SPD-Chef Lars Klingbeil. Es zeige erneut, dass es in der Union keinen klaren Umgang mit Rechtsextremismus und Rechtspopulismus gibt.

Die Lage in Thüringen hat am Montag auch das Präsidium der SPD beschäftigt: Er persönlich sei über das Verhalten der CDU schockiert gewesen, betonte Klingbeil nach einer Sitzung der SPD-Spitze. Die gemeinsame Abstimmung von CDU und AfD über die Senkung der Grunderwerbsteuer bezeichnete er als „tektonische Verschiebung“.

Abstimmung verändert Diskurs in diesem Land

Man sei in großer Sorge, dass die Union dazu beigetragen habe, dass die AfD normalisiert werde. Es dürfe nicht passieren, dass man „Rechtsextremen wie Herrn Höcke und seiner Partei Gestaltungsräume in einem Landeshaushalt gibt“. Das hätte er so nicht erwartet von der Union, betonte Klingbeil und verwies in diesem Zusammenhang auf die vielen Angebote aus den Reihen des thüringischen Ministerpräsidenten und der SPD.

„Man wollte gemeinsame Sache mit der AfD machen“, so Klingbeil. Zugleich äußerte er die Befürchtung, dass dieses Verhalten den politischen Diskurs in diesem Land verändern werde. Zwar sei er froh, dass sich innerhalb der Union einige Politiker wie Herr Günther und Herr Wüst kritisch geäußert hätten. Doch zeige Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und sein Umgang im Fall Aiwanger, dass es in der Union keinen klaren Umgang mit Rechtspopulismus gebe.

Söders Politik auf dem Rücken von Migrant*innen

Auch dessen aktuelle Forderung nach einer Obergrenze für Migrant*innen kritisierte Klingbeil scharf. Drei Wochen vor der Landtagswahl hole Söder jetzt wieder „zur großen Keule aus“ und mache Politik auf dem Rücken von Migrantinnen und Migranten. Die Polarisierung im eigenen Land voranzutreiben, bringe der Union keine Stimmen, so Klingbeil. Dagegen sei die SPD mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser gerade auf einem guten Weg, die große Frage der Migration endlich anzupacken.

Er wolle die Herausforderungen gar nicht herunterspielen, so Klingbeil, nur erreiche man eine Lösung nicht mit großen Sprüchen, sondern „indem wir tatsächlich etwas verändern“. Klingbeil verwies darauf, dass es Nancy Faeser nach über acht Jahren gelungen sei, eine Lösung für die europäischen Außengrenzen zu finden. Nun lege sie auch ein Paket vor, wie Abschiebungsverfahren weiter vorangetrieben werden könnten. „Wir steuern Migration und übernehmen europäisch auch Verantwortung“, so Klingbeil.

Bayern-Wahl in drei Wochen

Statt „reißerische Überschriften“ zu produzieren, wolle die SPD die Sachen anpacken, sowohl in der Ampel-Regierung als auch in der Parteiprogrammatik, erklärte der SPD-Vorsitzende. Als Beispiel hierfür nannte er das Gesetz zur Fachkräftezuwanderung sowie den Deutschland-Pakt von Bundeskanzler Olaf Scholz, der Bürokratie abbauen und Planungsverfahren beschleunigen soll. Zudem verwies Klingbeil auf die Verabschiedung der drei Entlastungspakete im letzten Jahr, um das Land sicher durch die Krise zu führen. Jetzt gehe es darum, wie Industrieunternehmen in Deutschland gehalten werden können und ihre Investitionen auch künftig in Deutschland getätigt werden. Auch hier sei die SPD dabei, in der Regierung eine Antwort auf die Frage zu finden, so Klingbeil.

Der bayerische SPD-Chef und Spitzenkandidat für die Landtagswahl Florian von Brunn betonte, dass der Fall Aiwanger zeige, dass Markus Söder wenig dazu gelernt habe. Aktuell verliere die CSU an Prozentpunkten, während die Freien Wähler zulegten. Schon 2018 habe man versucht, die Flüchtlingskarte im Wahlkampf zu spielen und damit die Umfragewerte der AfD nach oben getrieben, betonte von Brunn. Für ihn ein Zeichen der Verantwortungslosigkeit. Seiner Meinung nach muss die „demokratische Mitte im Angesicht von Herausforderungen durch Rechtsextremismus zusammenstehen“.

Dabei gebe es viel zu tun in Bayern, sagte von Brunn. Das Land drohe wirtschaftlich abgehängt zu werden. Die amtierende Koalition habe wichtige Weichen für eine gute Zukunft im Bereich Wohnen, Bildung und Pflege nicht gestellt. Im Landtagswahlkampf müsse es in den kommenden drei Wochen verstärkt um die Zukunft des Landes gehen. Die SPD-Bayern hat dazu einen Fünf-Punkte-Plan erarbeitet.

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Kommentare

Aufregung

An solche Abstimmungen werden wir uns gewöhnen müssen, es sei denn .......
Statt sich so zu eschoffieren sollte die SPD lieber darüber aufklären, daß nur solche, die über genügend Geld verfügen heute noch Grund erwerben können, und da dürften wenig Arbeitnehmer dabei sein. Wenn doch kann ja eine Klausel bezüglich der Einkommenshöhe benannt werden; eben so für echten bäuerlichen Grunderwerb.
Statt auf diese rechten Kumpaneien sich zu empören muss sich inhaltlich mit denen auseinandergesetzt werden. Dazu gehört ein Klassenstandpunkt ! Ich hoffe der findet sich noch vereinzelnt in der SPD und die anderen lernen davon.

Politische Tektonik_1

„Die gemeinsame Abstimmung von CDU und AfD“ in Thüringen hat Klingbeil als „tektonische Verschiebung“ identifiziert und damit die verheerenden Folgen der Erdplattenbewegungen in die Politik übertragen. Die Erdplatten bewegen sich nicht zufällig und plötzlich, also chaotisch, dummerweise aber auch nicht mit gleicher Geschwindigkeit in die gleiche Richtung. Das führt an deren Rändern zu Erd- oder Seebeben, manchmal bilden sich sogar Alpen: Wir können Atombomben bauen und einsetzen aber die „tektonischen Verschiebungen“ nicht beeinflussen.

Unser parlamentarisch-demokratisches System, so legt Klingbeil nahe, besteht aus den bekannten Erdplatten, politische Parteien genannt, und ihren tektonischen Verschiebungen, die besonders augenfällig werden, wenn eine Regierungsbildung ansteht. Dabei muss nämlich die Naturkonstante beachtet werden, dass eine Regierungsbildung ohne CDU/SU immer eine Stimme mehr auf die Waage bringen muss als CDU/SU plus AfD - mit der niemand zusammenarbeiten will - gemeinsam aufbringen.

Politische Tektonik_2

Im Grundsatz gilt das auch für alle Abstimmungen im Parlament. Eine „linke Regierung“ müsste gar mehr Parlamentarier haben als CDU/SU, AfD, FDP und Linke zusammen, weil auch letztere das Schmuddelkind ist, mit dem niemand spielen will - das ist so sicher wie die Tektonik in der Geologie.
Die politischen tektonischen Verschiebungen allerdings lassen sich – idealerweise – beeinflussen, aber nicht durch Empörung über die CDU, sondern allein durch gute Politik der Regierung und der sie tragenden Parteien; die aber scheint im Bund kaum noch ein Wähler zu erkennen. Wer gestern (17.9.) „Frau Will“ verfolgt, wer die jüngsten Äußerungen von Jens Stoltenberg oder von Selenskyj gehört hat, kann das sogar (in Grenzen) verstehen.

Wenn man die hier thematisierte Problematik abstrahiert, findet

man recht schnell besondere Beispiele in der Geschichte des Parlamentarismus. Der preussische Landtag hat es der Regierung unter MP Bismarck ähnlich schwer gemacht (Mittel Heeresreform einfach verweigert), wie jetzt der thüringische Landtag dem Genossen Ramelow. Einfacher ist es, und wir haben uns in Verkennung der Prinzipien der Gewaltenteilung leider zu sehr daran gewöhnt, dass die Regierung (Exekutive) die Gesetze macht, um sie dann mit der Mehrheit der sie tragenden Parteien formal vom Parlament beschließen zu lassen. Es finden sogar Debatten statt, die den Anschein erzeugen, das Parlament vollziehe hier, was ihm zukommt, nämlich das Ringen um die von der Mehrheit der Abgeordneten in freier Willensbildung zu ergründende gesetzliche Regelung praktischer Probleme des Volkes (Legislative) . Nachzulesen bei ROGER WILLEMSEN- DAS HOHE HAUS. Ist aber- diese Warnung sei erlaubt- nur geeignet für Hartgesottene, Für Träumer ist das nichts. .