Zum Jahresende 2022 lebten in Deutschland (ohne die seit Kriegsausbruch geflohenen Ukrainerinnen und Ukrainer) knapp 2,2 Millionen Menschen, die als Schutzsuchende gekommen sind. Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die am Donnerstag veröffentlicht wurde, zeigt nun, dass 54 Prozent der 2015 nach Deutschland Geflüchteten im Jahr 2021 erwerbstätig war. Damit sei ihre Erwerbstätigkeit gegenüber dem Pandemiejahr 2020 um zehn Prozentpunkte gestiegen, lautet ein Ergebnis der Studie.
Erwerbstätigkeit steigt mit Aufenthaltsdauer
Weiterhin zeigt die Analyse des IAB, dass die Erwerbstätigenquoten der Geflüchteten unmittelbar nach ihrer Ankunft in Deutschland gering ist, was laut Kurzbericht die Zeiträume betrifft, in denen sie „zum Teil noch Beschäftigungsverboten unterliegen oder sich in den Asylverfahren befinden“, mit zunehmender Aufenthaltsdauer aber ansteigen. „So belaufen sich die Erwerbstätigenquoten im ersten Jahr nach dem Zuzug auf sieben Prozent, steigen sechs Jahre nach dem Zuzug auf 54 Prozent und auf 62 Prozent sieben Jahre nach dem Zuzug“, heißt es im Kurzbericht zur Studie.
65 Prozent der erwerbstätigen Geflüchteten, die seit sechs Jahren in Deutschland sind, arbeiteten danach in Vollzeit und damit mehr als der Durchschnitt aller Erwerbstätigen in Deutschland, der bei 62 Prozent liegt. Das mittlere Bruttomonatsentgelt der vollzeiterwerbstätigen Geflüchteten steige von 1.660 Euro in den ersten beiden Jahren nach Ankunft auf 2.037 Euro im sechsten Jahr. „Geflüchtete haben zum einen die Wochenarbeitszeit erhöht und zum anderen können sie einen höheren Stundenverdienst erzielen. Allerdings verdienen Geflüchtete nach wie vor deutlich weniger pro Stunde als der Durchschnitt der Beschäftigten“, erklärt Herbert Brücker, Leiter des IAB-Forschungsbereichs „Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung“. Die mittleren Bruttomonatsverdienste von vollzeiterwerbstätigen Geflüchteten sind sechs Jahre nach ihrer Ankunft deutlich geringer und liegen bei 60 Prozent der mittleren Bruttomonatsverdienste von Vollzeiterwerbstätigen in Deutschland.
Frauen arbeiten seltener
Doch steige nicht nur die Erwerbstätigkeit mit der Dauer des Aufenthalts, sondern auch das Bildungsniveau. Immer mehr Geflüchtete üben eine qualifizierte Berufstätigkeit aus: 33 Prozent der erwachsenen Geflüchteten haben sechs Jahre nach ihrer Ankunft in Deutschland Schulen und Hochschulen besucht oder haben Ausbildungen und Weiterbildungsmaßnahmen absolviert. 70 Prozent der erwerbstätigen Geflüchteten üben eine Tätigkeit aus, für die ein Berufs- oder Studienabschluss notwendig ist.
Handlungsbedarf sieht das Forscherteam insbesondere was die Förderung der Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Frauen angeht. Nur 23 Prozent von ihnen sind nach sechs Jahren Aufenthalt erwerbstätig. Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung sowie Sozialpartner und Unternehmen könnten hier tätig werden, so die Foscher*innen. Indem sie „vielfältige Maßnahmen ergreifen, wie zum Beispiel einen frühen Zugang zu umfassender Kinderbetreuung, die Förderung von flexiblen Arbeitszeitmodellen oder die aktive Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer in der Arbeitswelt.“ Acht Jahre nach Zuzug steige die Erwerbstätigkeitsquote von Frauen allerdings auf 39 Prozent.
Unterstützung für Geflüchtete ausbauen
Grundsätzlich empfehlen die Forscher*innen des IAB den Ausbau von Integrations- und Qualifizierungsprogrammen für den Übergang in den Arbeitsmarkt und die Unterstützung beim Erwerb von Ausbildungs- und Bildungsabschlüssen, das Bildungspotenzial sei hier noch nicht ausgeschöpft.
Auch sollten ihrer Meinung nach alle Anstrengungen unternommen werden, um die Berufs- und Hochschulabschlüsse von Geflüchteten sowie deren durch Berufserfahrung erworbene Qualifikationen anzuerkennen, um den Zugang zu qualifizierten Beschäftigungsmöglichkeiten zu erweitern. Ihr Fazit: „Durch eine zielgerichtete Politik können sowohl die Arbeitsmarktintegration als auch die Teilhabe an anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens weiter gefördert werden.“
Dagmar Schmidt: Hürden für Arbeit abbauen
„Der Grundsatz, dass alle Menschen ihr Einkommen selbst sicherstellen sollen, gilt für alle, die das können“, betont Dagmar Schmidt, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion und hier zuständig für Arbeit und Soziales. Die Studie des IAB zeige, „dass es dafür keine Job-Pflicht braucht und sich die Mehrzahl der geflüchteten Menschen bereits gut integriert und eine Arbeitsstelle gefunden hat“. Dagmar Schmidt sieht dennoch Handlungsbedarf: „Wir müssen aber auch weiter dafür sorgen, dass Hürden eine gute Arbeit zu finden, abgebaut werden. Zum Beispiel mit einer besseren Kinderbetreuung, um die Erwerbstätigkeit von Frauen zu ermöglichen. Das gilt nicht nur für Geflüchtete, sondern hier steckt das größte ungenutzte Potential zur Bekämpfung des Fachkräftemangels.“