#sozialdigital

Netzpolitik als Gesellschaftspolitik

Julia Korbik06. Mai 2015
Lars Klingbeil beim Netzpolitischen Abend
Deutliche Distanz zur Vorratsdatenspeicherung: SPD-Netzpolitiker Lars Klingbeil
Malu Dreyer beim Netzpolitischen Abend
Hat die Zeichen der digitalen Zeit erkannt: Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz
Beim „Netzpolitischen Abend“ diskutierte die SPD am Dienstag eine sozialdemokratische Haltung zum digitalen Wandel. Streit gab es dabei über die Vorratsdatenspeicherung.

Das Thema Netzpolitik hat es nicht leicht: Längst ist klar, dass der digitale Wandel die Gesellschaft nachhaltig verändern wird und mehr oder weniger jeden von uns betrifft. Diese Erkenntnis ist zwar in der Politik angekommen – trotzdem nimmt man dort die Netzpolitik immer noch nicht ganz ernst: Netzpolitik, ist das nicht etwas, das nur „digital natives“ interessiert?

Netzpolitiker wie der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Klingbeil wollen deshalb für Völkerverständigung innerhalb der SPD sorgen. Und zeigen, dass Netzpolitik alle angeht und nicht nur etwas mit Surfen im Internet zu tun hat. Eine gute Gelegenheit dafür: Der „Netzpolitische Abend“, der am Dienstag zum zweiten Mal in Berlin stattfand. In den Räumlichkeiten von Microsoft diskutierte der SPD-Parteivorstand mit Interessierten unter dem Motto #sozialdigital: über digitalen Wandel und das Verhältnis von Sozialdemokratie und Digitalisierung. Parteichef Sigmar Gabriel hielt eine Impulsrede, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer berichtete von Digital-Initiativen aus ihrem Land. Später am Abend gesellten sich u.a. Brigitte Zypris und Gesche Joost dazu, um sich mit dem Publikum auszutauschen.

Streitthema Vorratsdatenspeicherung

Seit knapp einem Jahr diskutiert die SPD über den digitalen Wandel. Auf dem Parteitag im Dezember soll dazu ein Grundsatzprogramm verabschiedet werden. Bis dahin wird wohl weiter über die Vorratsdatenspeicherung gestritten werden. Gabriel ist dafür – den Netzpolitikern und vielen anderen in der Partei bereitet das Ganze eher Zahnschmerzen (Ein Interview mit Nico Lumma zum Thema lesen Sie hier). Nicht enden wollenden Applaus gab es deshalb für Lars Klingbeil, als der sich während seiner Begrüßungsrede noch einmal deutlich von der Vorratsdatenspeicherung distanzierte.

Sein Nachredner Sigmar Gabriel nahm es gelassen: „Es wäre ja komisch, wenn es in der SPD keinen Streit über wichtige Themen gäbe. Eine stumme Partei ist eine dumme Partei.“ In seiner Rede schlug Gabriel den Bogen zwischen digitalem Wandel und dessen Bedeutung für sozialdemokratische Politik. Es gehe darum, wie wir im digitalen Zeitalter mit den klassischen Vorstellungen über unser Zusammenleben umgingen. In Richtung der SPD-Netzpolitiker sagte Gabriel: „Ihr seid keine Netzpolitiker, sondern Sozialpolitiker. Unser Anspruch muss sein, dass es bei Netzpolitik um Gesellschaftspolitik geht, um Bildungspolitik, um Wirtschaftspolitik, um Arbeitsmarktpolitik.“

Möglichkeit zur digitalen Teilhabe

Das hat Malu Dreyer schon längst verstanden und geht den digitalen Wandel in Rheinland-Pfalz tatkräftig an. So hat sie dort einen Landesrat für digitale Entwicklung und Kultur eingerichtet und lässt Schülerinnen und Schüler zu Medienscouts ausbilden. Denn Medienkompetenz ist für Dreyer ein wichtiger Punkt: Gesellschaftliche Teilhabe, so die Ministerpräsidentin, würde sich in Zukunft auch dadurch definieren, inwieweit Menschen die Möglichkeit zur digitalen Teilhabe haben.

Noch hat die SPD in Sachen Medienkompetenz selbst Nachholbedarf. Aber: Es tut sich etwas. Die Partei hat einen sozialdemokratischen Zugang gefunden, sich mit dem Thema Netzpolitik auseinanderzusetzen. Soziale Teilhabe, so das Credo, muss im digitalen Zeitalter neu organisiert werden. Und das klingt doch nach etwas, was nicht nur junge „digital natives“ interessiert.

weiterführender Artikel