Kirchen

Jesus und die AfD: Warum Christen die Rechtspopulisten unterstützen

Paul Starzmann04. August 2017
AfD Köln
Proteste vor dem Kölner Dom: Viele finden, die AfD sei mit dem Christentum nicht vereinbar.
Für Sozialdemokraten ist die Sache klar: Die AfD kann keine Alternative sein. Ganz anders sehen das die „Christen in der AfD“. Was hält ihre unheilige Allianz zwischen Kirchgängern und Rechtspopulisten zusammen?

„Refugees Welcome“ – das steht schon in der Bibel. Nicht in diesem Wortlaut natürlich, doch die Botschaft der Heiligen Schrift ist deutlich: Niemand dürfe einen Flüchtling abweisen oder ausliefern, heißt es im Alten Testament. „Bei dir soll er wohnen dürfen, in deiner Mitte, in einem Ort, den er sich in einem deiner Stadtbereiche auswählt“, steht im Fünften Buch Mose. Asylrecht und Integration – laut Bibel sind beide göttliches Gebot.

AfD: „Alternative für Christen?“

Manche Christen in Deutschland scheinen es allerdings nicht so genau zu nehmen mit dem Auftrag Gottes: sie engagieren sich ausgerechnet in der AfD – der Anti-Flüchtlingspartei schlechthin. Und das obwohl sich die Kirchen von den Rechtspopulisten deutlich distanzieren. Trotzdem seien rund 500 der 26.000 AfD-Mitglieder heute im Arbeitskreis „Christen in der AfD“ organisiert, sagt deren Vorsitzende Annette Schultner. Die Mehrheit davon soll katholisch sein.

Warum Christen bei der AfD mitmachen, untersucht der Journalist und Theologe Wolfgang Thielmann in dem neuen Buch „Alternative für Christen?“ Er will damit „Kirchen, Gemeinden und Gruppen helfen, sich mit der AfD auseinanderzusetzen, aber das Gespräch nicht aufzugeben“, schreibt er im Vorwort des Sammelbands.

Frauke Petrys Ex-Mann: Wütende Kirchgänger

In dem Buch kommen Journalisten und Geistliche genauso zu Wort wie ein Vertreter der AfD. Auch der evangelische Pastor Sven Petry, der Ex-Mann von AfD-Chefin Frauke Petry, hat einen Beitrag verfasst: Wer von ihm allerdings einen tieferen Einblick in die Motive und Gedankenwelt der Rechtspopulisten erwartet, wird enttäuscht. Petry stellt lediglich fest, dass der Vormarsch der Rechten auch an den Kirchenpforten nicht Halt gemacht hat. Dass Polarisierung, Frust und Wut auf „die da oben“ in den Gemeinden genauso zu spüren seien wie in anderen Teilen der Gesellschaft. Man könnte auch sagen: Der Glaube an Gott schützt nicht davor, der AfD auf den Leim zu gehen.

Manche Christen scheinen nicht einmal einen Widerspruch zwischen der Lehre Jesu und der AfD zu erkennen. Zum Beispiel der ehemalige AfD-Landtagskandidat Hartmut Beucker, der im Buch seinen Weg in den Rechtspopulismus beschreibt. Es ist das bekannte Lamento der „besorgten Bürger“: An der Uni seien ihm alle zu links gewesen, der Euro sei eine schlechte Idee und an den deutschen Schulen laufe es auch verkehrt. So tue sich der eigene Sohn schwer mit dem Lesen und Schreiben, was an den Politikern und „ideologischen Gründen“ liege. Und dann ist da natürlich die angebliche „Veränderung des Staatsvolkes“ seit dem „Herbst 2015 mit der unkontrollierten Grenzöffnung“.

AfD: „Transporteur rechtsextremer Einstellungen“

Beucker sieht sich als Opfer, auch weil er für seine Positionen Ärger mit der Kirche bekommen hat. Im Vorstand seiner Kirchengemeinde in Wuppertal sei er als AfD-Mitglied zum Rückzug gedrängt worden. Beucker findet das unfair. Er weigerte sich, das Gremium zu verlassen. Deshalb traten alle anderen Mitglieder geschlossen zurück. Beucker kann die Aufregung nicht verstehen: Er und seine Partei stünden schließlich „links vom Rechtsextremismus“, beteuerte er Ende 2016 im Deutschlandfunk. Wo also sei das Problem? Nun – die rechtsextremen Einstellungen, die Teile der AfD in ihren Botschaften transportierten, findet die Wuppertaler Kirchenfunktionärin Ilka Federschmidt.

Das Beispiel zeigt, zu welchen Konflikten es kommt, wenn praktizierende, in der Kirche aktive Christen zur AfD gehen. Wie angespannt, aber auch gespalten das Verhältnis zwischen Religion und Rechtspopulismus ist. Für einige sei es kein Widerspruch, fromm und zugleich rechts zu sein, schreibt die AfD-Expertin Liane Bednarz in ihrem Beitrag. Sie hat auch eine Erklärung für die unheilige Allianz, die manche „radikalisierten Christen“ mit den Rechtspopulisten eingehen. Beide Gruppen hegten oft die gleichen Feindbilder: Islam, Gender, Medien, Homosexuelle. 

Die Kirchen müssen wachsam bleiben

Das Christentum, das wird klar in Thielmanns Buch, stellt beim Thema Rechtspopulismus keine Ausnahme gegenüber anderen gesellschaftlichen Strömungen dar. Der durchschnittliche Christ scheint nicht unbedingt mehr, aber eben auch nicht weniger anfällig für die Parolen von AfD und Co. Die Gläubigen am äußeren rechten Rand der Kirchen jedoch schon. Liane Bednarz hat deshalb einen Rat: „Die Kirchen müssen gegenüber dieser Entwicklung weiterhin wachsam bleiben.“

Das gilt für den Rest der Gesellschaft natürlich auch.

Wolfgang Thielmann (Hg.): Alternative für Christen? Die AfD und ihr gespaltenes Verhältnis zur Religion, Neukirchener Verlag, ISBN 978-3-7615-6439-4, 17,00 Euro.

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Kommentare

Einseitige Beleuchtung von

dem Thema, mehr war hier auch nicht zu erwarten.