Abgeordnetenhauswahl in Berlin

Franziska Giffey: Mit Herz und Plan an die Spitze der Hauptstadt

Jonas Jordan21. September 2021
Die Berliner SPD-Vorsitzende und Spitzenkandidatin Franziska Giffey: „Berlin ist nie fertig – aber das ist ja auch das Tolle.“
Die Berliner SPD-Vorsitzende und Spitzenkandidatin Franziska Giffey: „Berlin ist nie fertig – aber das ist ja auch das Tolle.“
Parallel zur Bundestagswahl wird in Berlin ein neues Abgeordnetenhaus gewählt. Franziska Giffey möchte Regierende Bürgermeisterin werden. Ihre Aussichten sind gut. Denn die Berliner SPD-Vorsitzende ist in der Hauptstadt bekannt und beliebt.

Noch nie gab es im wiedervereinten Berlin eine Regierende Bürgermeisterin. Doch Franziska Giffey besitzt gute Chancen, das demnächst zu ändern. Zeitgleich mit dem Bundestag wird in der Hauptstadt am 26. September auch das Abgeordnetenhaus gewählt. Pünktlich zur heißen Wahlkampfphase ist die Berliner SPD an der politischen Konkurrenz vorbeigezogen. Das liegt auch daran, dass Giffey deutlich prominenter ist als die bislang blass gebliebene Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch und der ebenfalls weitgehend unbekannte CDU-Bewerber Kai Wegner.

„Schön, Sie zu sehen!“

Doch die frühere Bezirksbürgermeisterin von Neukölln und Bundesfamilienministerin ist nicht nur bekannt, sondern auch beliebt. Das wird Anfang August deutlich, als Giffey mal wieder einen Tag lang quer durch Berlin unterwegs ist. In einem Spielzeugladen in Steglitz strahlt eine Frau, als sie Giffey erblickt: „Schön, Sie zu sehen!“ Eine Passantin kritisiert jedoch, die SPD sei nicht präsent genug. Giffey antwortet: „Aber ich bin doch jetzt da.“ Bevor sie weitergeht, lächelt sie die Frau an und zeigt auf ihr rotes Kostüm: „Gute Farbe, ne?“

Weniger freundlich gesinnt erscheint zunächst ein Schuhhändler einige Hundert Meter weiter. „Es gab Riesen-Versprechungen von der Politik, aber wir haben bisher keinen Cent bekommen. Wir sind total benachteiligt“, schimpft er mit Blick auf die Corona-Hilfen. Die Berliner SPD-Vorsitzende bleibt ruhig, hört dem Mann geduldig zu, der schließlich sagt: „Sie sind die beste von allen Kandidaten, wenn ich das mal so persönlich sagen darf.“

Giffey: „Ich liebe meine Stadt“

„Ich bin Berlinerin und als Berlinerin liebe ich meine Stadt. Ich möchte, dass es meiner Stadt gut geht“, hatte Giffey schon früher gesagt. Die Stadt ist für sie Herzenssache, was sich auch im Wahlkampfmotto ausdrückt. Es wird deutlich: Sie kümmert sich und sie hat einen Plan. Vor allem die durch die Corona-Pandemie arg in Mitleidenschaft gezogenen Branchen wie Hotel- und Gastgewerbe, Veranstaltungswirtschaft, Einzelhandel und Kulturwirtschaft hat Giffey in den Blick genommen. Das „Zukunftsprogramm Neustart“ der Berliner SPD sieht vor, bis 2025 eine Milliarde Euro in diese Branchen zu investieren. Auch um sicherzustellen, dass Berlin mit Weltstädten wie Paris, London und Barcelona im Wettstreit um Messen, Tourist*innen und Veranstaltungen weiter konkurrieren kann.

Der Wahlkampf der Berliner SPD ist auf Giffey als Spitzenkandidatin zugeschnitten. Auch die zentralen inhaltlichen Themen – die „fünf B“ – hat sie sich nach eigenen Angaben selbst überlegt. Es geht um Berlin in Sicherheit, eine bürgernahe Verwaltung, die beste Wirtschaft, Bildung und natürlich Bauen. Hier drückt der Schuh in Deutschlands einwohnerstärksten Stadt am heftigsten. Der Zuzug ist nach wie vor groß, die Mieten sind in den vergangenen Jahren durch die Decke gegangen.

Für 200.000 neue Wohnungen

Deswegen geht Giffey auch mit einem ambitionierten Ziel ins Rennen um das Rote Rathaus: Als Regierende Bürgermeisterin will sie dafür sorgen, dass bis zum Jahr 2030 mindestens 200.000 neue Wohnungen in der Hauptstadt gebaut werden. „Wir brauchen zwei Strategien: einen wirksamen Schutz für Mieterinnen und Mieter, aber wir müssen auch den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum decken, damit jeder Berliner und jede Berlinerin weiß: Ich kann mir eine Wohnung in dieser Stadt leisten“, führt sie im Rededuell bei „Jugend debattiert“, einem Format des Abgeordnetenhauses, aus.

Wichtig sei es auch, die „Berliner Mischung“ beizubehalten, also in sozialer Hinsicht durchmischte Stadtteile. Menschen mit geringerem Einkommen sollen ebenso in Berlin wohnen bleiben wie Normalverdiener*innen. Ihr Redekontrahent, ein Abiturient, unterstützt Giffeys grundsätzliche Forderung, mahnt aber an, dass viele Ämter schon jetzt chronisch überfordert seien. Doch die SPD-Vorsitzende will das nicht gelten lassen. Sie will weg vom negativen Image der Berliner Verwaltung, in der 125.000 Menschen arbeiten. „Wenn alles so furchtbar wäre, würden nicht so viele gerne in Berlin leben wollen“, sagt sie.

„Berlin ist nie fertig, aber das ist ja auch das Tolle, dass sich so viel noch entwickeln kann.“ Für Giffey steht fest: Diese Stadt ist lebenswert. Und sie will ihren Teil dazu beitragen, dass das so bleibt. „Mir liegt Berlin am Herzen wie vielen anderen, die hier leben auch.“

weiterführender Artikel

Kommentare

Ja zu Giffey

und gegen den Volksentscheid zur Vergesellschaftung der Wohnungskonzerne, aber zu deren Wohl und Wehe ?