Evangelischer Kirchentag

AfD gegen Margot Käßmann: Wie die Rechten die Wahrheit verbiegen

Paul Starzmann29. Mai 2017
Margot Käßmann – die Theologin steht im Visier eine Online-Kampagne, nachdem sie sich kritisch über die AfD gefäußert hatte.
Die Theologin Margot Käßmann hat beim Kirchtentag die AfD kritisiert. Deren Politiker drehten ihr die Worte im Mund um: Alle Deutschen sind Nazis, soll Käßmann angeblich gesagt haben. Das will die Ex-Bischöfin nicht auf sich sitzen lassen.

Der 36. Evangelische Kirchentag stand am Wochenende in Teilen im Zeichen des Rechtspopulismus. „Darf ein Christ in der AfD sein?“ war zum Beispiel eine Frage, die bei dem Treffen der deutschen Protestanten diskutiert wurde. Für die Theologin Margot Käßmann scheint die Antwort auf diese Frage klar zu sein: Mit deutlichen Worten kritisierte sie am Donnerstag die rechtspopulistische Partei.

Käßmann: „Da weiß man, woher der braune Wind wirklich weht“

Vor allem mit der Familienpolitik der AfD ging sie hart ins Gericht. Diese habe ein Ziel, sagte Käßmann: „Frauen sollen Kinder bekommen, wenn sie ‚biodeutsch’ sind.“ Als Beleg zitierte die Theologin aus dem AfD-Grundsatzprogramm, in dem „eine höhere Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung“ gefordert wird.

„Das ist eine neue rechte Definition von ‚einheimisch’ gemäß dem so genannten kleinen Arierparagraphen der Nationalsozialisten“, sagte Käßmann, „zwei deutsche Eltern, vier deutsche Großeltern. Da weiß man, woher der braune Wind wirklich weht.“

AfD-Politiker treten „Shit Storm“ los

Die Aussage sorgte wenig später für eine Welle der Empörung im Internet. Bereitwillig griffen Anhänger und Funktionäre der AfD die Worte der ehemaligen Bischöfin auf – allerdings verfremdeten sie das Zitat, rissen es aus dem Zusammenhang und ließen Teile davon kurzerhand unter den Tisch fallen. Stehen blieb ein Vorwurf, den Käßmann im Nachhinein „lächerlich und absurd“ nannte: die Theologin habe angeblich alle Deutschen als Nazis abgestempelt, lautete die Beschwerde aus den Reihen der Rechtspopulisten. Ein klassischer Fall von „Fake News“ – eine Falschmeldung.

AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen, der als Professor die korrekte Wiedergabe eines Zitats eigentlich beherrschen müsste, schrieb auf Twitter: „Bischöfin Käßmann beleidigt Millionen Deutsche als Nazis“. Die AfD-Europapolitikerin Beatrix von Storch legte Käßmann auf Twitter die folgenden Worte in den Mund: „wer ‚2 deutsche Eltern u 4 deutsche Großeltern hat ist Nazi.’“ Die ehemalige CDU-Politikerin Erika Steinbach stimmte ein in den Chor der empörten Bürger und veröffentlichte auf Twitter ein Bild mit der Überschrift „Frau Käßmanns linksfaschistische Ergüsse im Namen der Kirche...“

Die rechte Presse mischt mit

Auch neurechte Webseiten wie die „Achse des Guten“ beteiligten sich an der Online-Kampagne gegen Margot Käßmann. Der Publizist Henryk M. Broder bescheinigte der ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) „Rassismus pur“. Käßmann habe die Behauptung „Man wird als Nazi geboren“ aufgestellt, schrieb er – offenbar ohne die Äußerungen der Theologin zu überprüfen. Auch die Webseite „Epoch Times“ habe sich an der Kampagne beteiligt und damit rund 14.000 Interaktionen auf Facebook und Twitter eingesammelt, berichtet der Branchendienst „Meedia“. Der entsprechende Artikel ist jedoch später „wegen Ungenauigkeit überarbeitet“ worden, wie die Redaktion von „Epoch Times“ auf ihrer Seite erklärt. Vielleicht liegt das an der Ankündigung Margot Käßmanns, rechtlich gegen die Verbreitung des falschen Zitats vorzugehen. AfD-Chefin Frauke Petry sprach daraufhin auf Twitter sogleich von „Zensur“.

Dass Margot Käßmann weder der Zensur das Wort redet noch alle Deutschen als Nazis bezeichnet hat, scheint für die Rechtspopulisten der AfD keine Rolle zu spielen. Selbst sehen sie sich hingegen gerne als Opfer der „Lügenpresse“, deren Aussagen vom medialen Mainstream dauernd verfälscht würden. Diesen Vorwurf, das zeigt der Umgang mit Margot Käßmann nun, müssen sich die Rechtspopulisten jedoch selbst gefallen lassen. Selbst die AfD-Spitze scheint nicht viel von ihrem eigenen Leitspruch zu halten – der lautet: „Mut zur Wahrheit“.

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Kommentare

kommentar

Müsst Ihr immer mit dem nervigen Kampf gegegn Rechts kommen! Wen sollen Prekarisierte sonst wählen, leider!?

Alles nur nicht das was sie 1933 schon gewählt haben

Alle demokratischen Kräfte müssen klar machen das in Deutschland nie wieder Platz für die Ideologie der AfD sein wird.
Wer meint das die AfD die einzige Partei ist die von prekarisierten gewählt werden könnte, soll bitte nach her nicht wieder sagen wir haben nichts gewusst.
Es muss die Aufgabe von demokratischen Parteien sein, Mehrheiten ohne AfD zu bilden. Auch wenn sie dafür über ihre Haltelienen hinweg sehen müssen.

AfD gegen Käßmann

Margot Käßmann hat ins Braune getroffen. Das tut weh. Die Getroffenen heulen auf. Sie entlarven sich zur Kenntlichkeit.

Käßmann

Ich denke, Frau Käßmann bekommt jetzt genau das zu spüren, was man schon lange gegen die Vertreter der AfD praktiziert. Worte aus dem Zusammenhang reißen, absichtlich falsch interpretieren du dann gegen die jeweilige Person hetzen. Es war nicht die AfD, die mit solchen Methoden begonnen hat. Es waren die angeblich demokratischen Gegner der AfD und die Öffentlichkeit hat das auch so erkannt. Deshalb das Schlagwort - Lügenpresse -.
Was dem Einen recht ist, ist dem Anderen billig.

Frau Käßmann

ist der Realität nicht mehr gewachsen - genauso wie Viele , die die Wahrheit über den Islam nicht sehen wollen . Realität ist - Wir haben in Europa seit ca. 40 Jahren eine Geburtenrate , die deutlich unter der Erhaltungsgrenze liegt - und gleichzeitig im Nahen Osten und Afrika eine Verdoppelung der Bevölkerung - etwa alle 25 Jahre . Was Europa braucht sind mehr eigene Kinder - was der Nahe Osten und Afrika brauchen sind Bildung und Geburtenkontrolle . Wenn es beides nicht gibt , wird Europa in 50 Jahren im Chaos versunken sein.

Lob und Hinweis

Lieber Paul, der Kampf gegen Rechts ist wichtig. Der Beitrag zur Causa Käßmann ist aber nicht gelungen. Ich muss das so eindeutig festhalten, Genosse. Hier bitte, die tatsächlichen Umstände:
http://www.achgut.com/artikel/frau_kaessmann_verschlimmbessert_sich
Auch wenn Du meinen Kommentar nicht veröffentlichen möchtest, Paul, scheue bitte nicht davor, den Beitrag auf der Achse des Guten zu lesen. Dort schreiben keine "Rechten", sondern Kritiker, Demokraten, vielleicht auch Zyniker. Hätte die SPD mehr von solchen unabhängigen Geistern, dann würde sie nicht bei 25% herumkrebsen und selbst im Stammland NRW so derart eingehen.
Mit konstruktivem und anregendem Gruß. Glumener. SPD-Wähler 1982-1998 (ich hoffe, irgendwann ist doch mal wieder SPD drin, so SPD draufsteht).

Re: Lob und Hinweis

Lieber Heribert,

danke für deinen Kommentar. Wenn wir deinen vorangegangenen Kommentar gelöscht haben sollten, dann liegt es daran, dass er gegen unsere Netiquette verstoßen hat. Die Netiquette findest du hier: https://www.vorwaerts.de/seite/netiquette

Viele Grüße
der vorwärts

AfD gegen Margot Käßmann

Die Ausführungen von Frau Käßmann sind zutreffend! Frau Käßmann hat das AfD-Grundsatzprogramm richtig zitiert und die logische und richtige Schlussfolgerung daraus gezogen. Gert Weisskirchen ist vollauf zuzustimmen! Im Grundsatz auch Thorsten Kuhn.Einige Kommentare haben AfD-"U-Boot"-Qualität! Wer meint: "Wen sollen Prekarisierte sonst wählen, leider!?" - geht der AfD auf den neoliberalen, unsozialen und unsolidarischen Leim.Die AfD ist definitiv nicht die neue Schutzmacht der
sogenannten "Kleinen Leute"! Die Frage: "Müsst ihr immer mit dem nervigen Kampf gegen Rechts kommen!" (???) ist absolut unsozialdemokratisch - dem Demokratischen Sozialismus völlig unangemessen.Wer prekarisiert ist oder sich fühlt - kann, wenn er von der
SPD enttäuscht ist (für ein Enttäuscht-Sein gibt es mindestens genügend und schwerwiegende Gründe - z.B. Agenda 2010/Hartz IV, Steuerpolitik zugunsten der sehr Wohlhabenden/Reichen/des Kapitals), die Partei Die Linke wählen (das ist eine Möglichkeit), aber vernunftbezogen niemals die AfD - die Rechten! Die AfD - die Rechten sind für NICHTS eine Alternative!
Sie streuen geschickt "Salz" in gesellschaftspolitische Wunden.Heilung
kann von ihnen nicht kommen!